Seenot bringt NATO in Erklärungsnot
6. August 2011"Ich möchte unterstreichen, dass alle Schiffe die Pflicht haben, denjenigen Hilfe zu leisten, die in Not geraten - unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Status oder den Umständen, in denen sie gefunden werden", betonte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Dies sei eine langjährige Tradition in der Seefahrt.
Italiens Außenminister Franco Frattini erklärte, es gebe eine Verpflichtung, "verzweifelte Zivilisten" zu retten, die von Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi auf Schiffe in den sicheren Tod getrieben würden. Zugleich forderte Frattini eine Untersuchung des neuen tödlichen Flüchtlingsdramas. An die NATO appellierte er, ihr Libyen-Mandat auszuweiten. Dieses müsse sich auch auf die Rettung von Menschen erstrecken, die über das Meer vor den Kämpfen in ihrer Heimat fliehen wollten.
Leichen über Bord
Überlebende eines vor der libyschen Küste havarierten Bootes hatten vom grauenvollen Tod von rund 100 Flüchtlingen berichtet, die auf See verhungert oder verdurstet seien. Ihre Leichen seien anschließend über Bord geworfen worden.
Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete, die Regierung in Rom habe die NATO um Unterstützung bei der Rettung der Flüchtlinge gebeten, nachdem ein zyprischer Schlepper die italienischen Behörden auf das vor der Insel Lampedusa umhertreibende Boot aufmerksam gemacht habe. Ein in 30 Seemeilen Entfernung fahrendes NATO-Kriegsschiff habe jedoch nicht reagiert. Letztlich wurden die Flüchtlinge von der italienischen Küstenwache in Sicherheit gebracht. Sie waren am Freitag vergangener Woche östlich von Tripolis aufgebrochen, um den anhaltenden Bürgerkriegswirren in Libyen zu entkommen. An Bord des 20 Meter langen Bootes sollen sich mehr als 300 Menschen befunden haben.
Versagen der NATO
Den NATO-Patrouillenschiffen, die im Mittelmeer ein Embargo gegen Libyen überwachen, war bereits mehrfach Versagen bei der Rettung in Seenot geratener Menschen vorgeworfen worden. Eine Sprecherin erklärte lediglich, das Bündnis arbeite eng mit den italienischen Behörden zusammen, um die jüngsten Vorwürfe aufzuklären. Zugleich verwies sie darauf, dass die NATO in der Vergangenheit mehrfach Flüchtlingen geholfen habe.
Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen seit Beginn des Libyen-Konflikts Mitte März mindestens 1500 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben. 24.000 Flüchtlingen gelang es, europäisches Territorium zu erreichen - meist auf Lampedusa.
Autor: Christian Walz (afp, dpa, epd, dapd)
Redaktion: Susanne Eickenfonder