Urlaub bei Piraten
27. Juni 2008Die Überfälle laufen meist nach dem gleichen Schema ab: In größeren Booten lauern die Piraten vor der Küste Somalias, den Blick auf die Radargeräte gerichtet. Bis auf den Bildschirmen neue Beute auftaucht: ein Segelboot, vielleicht sogar eine schicke Yacht. Dann schlagen sie zu. Mit Schnellbooten wird das Opfer umzingelt und in eine abgelegene Bucht eskortiert. Wieder heraus kommt nur, wer Lösegeld bezahlt. Eine Millionen Dollar verlangen die Piraten, die am Montag (23.6.2008) ein deutsches Paar auf seiner Yacht in ihre Gewalt gebracht haben
Keine romantischen Filmpiraten
Klaus Hympendahl hat viele solcher Geschichten gehört. Er betreibt eine Internetseite, die speziell über Yachtpiraterie aufklärt, und warnt davor, Piraten als romantische Figuren zu glorifizieren. "Das Gegenteil ist der Fall", schreibt er dort. "Ihr Interesse ist es, Beute auf Kosten anderer zu machen. Sie schlagen ihre Opfer zu Krüppeln, vergewaltigen Frauen und scheuen nicht, auf Kinder zu schießen. Piraten sind die Feinde aller seegehenden Männer und Frauen."
Die eindringlichen Worte scheinen nötig. Denn noch immer gibt es einen großen Aufklärungsbedarf, sagt Hympendahl. "Viele Überfälle werden gar nicht bekannt, weil die Opfer sie nicht melden. Sie schämen sich oder möchten nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass sie diese großen Yachten besitzen." 31 Piratenangriffe wurden im vergangenen Jahr offiziell vor der Küste Somalias gezählt. Aber die Dunkelziffer sei viel größer.
Bekanntes Problem
Dabei ist das Problem durchaus bekannt. In jedem Segelhandbuch wird vor bestimmten Gewässern gewarnt. Das Internationale Schifffahrtsbüro veröffentlicht auf seiner Homepage eine ständig aktualisierte "Weltkarte der Piraterie", in der auch die Küste Somalias als besonders gefährlich markiert ist. Warum aber fahren dann immer noch Urlauber mit ihren Yachten in die Region?
"Weil sie keine andere Wahl haben", sagt Jürgen Feyerabend vom Deutschen Segler-Verband. "Somalia liegt quasi auf der Transitroute vom Roten Meer zu den Seychellen und Mauritius, einem beliebten Seglerziel. Wer dahin will, muss an Somalia vorbei." Rund 400 deutsche Yachten seien derzeit auf den Weltmeeren unterwegs, etliche von ihnen auch am Horn von Afrika.
Bitte Abstand halten!
"Wenn sie sich an die entsprechenden Sicherheitsvorschriften halten, ist das auch kein Problem", so Feyerabend weiter. 200 Seemeilen Abstand zur Küste lautet die aktuelle Empfehlung. Das entspricht in etwa der Entfernung vom deutschen Nordseestrand bis zur Spitze Dänemarks. "Soweit fahren die Schnellboote der Piraten nicht raus", meint auch Hympendahl, der selbst in den achtziger Jahren an Somalia vorbeigesegelt ist.
Dass sich die deutschen Segler, die jetzt gekidnappt wurden, offenbar näher an die Küste gewagt haben, um Fotos zu schießen, kann er nicht verstehen. "Das ist tödlicher Leichtsinn. Nach allem, was vorgefallen und bekannt ist, völlig unverständlich."