Seit über 50 Jahren von derselben Familie regiert
7. Januar 2019Als am Montag (07.01.19) im Morgengrauen eine Gruppe von Militärs den Nationalen Rundfunk Gabuns besetzte, einen Aufstand der Jugend forderte und die Bildung eines "Nationalrats für die Wiederherstellung der Demokratie" ankündigte, dachten viele Beobachter im In- und Ausland, in Gabun sei eine neue Ära angebrochen: die "Post-Bongo-Ära".
Ein paar Stunden später war die "Ruhe zurück" und die "Situation unter Kontrolle". Die Sicherheitskräfte seien in der Hauptstadt stationiert und würden es in den nächsten Tagen bleiben, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, so der Minister für Kommunikation und Regierungssprecher Guy-Bertrand Mapangou. Präsident Ali Bongo und seine Regierung seien nach wie vor fest im Sattel, fügte er hinzu.
Dabei sind Präsident Ali Bongo die Zügel längst entglitten: Seit zweieinhalb Monaten ist er abwesend. Nach einem Schlaganfall hält er sich zur Behandlung im Ausland auf. Die Regierungsgeschäfte führt seitdem der Ministerpräsident interimsmäßig, sagt Fonteh Akum, Gabun-Experte des Institute für Security Studies in Dakar (ISSA). Doch die provisorische Regierung erledige nur die notwendigsten Routineaufgaben. "Es ist schwer zu sagen, wer die Macht im Land wirklich in Händen hält. Im Land herrscht Chaos und Unsicherheit, und es geht die Sorge um, dass Sicherheitskräfte und Geheimdienste bereits die Macht an sich gezogen haben könnten", fügt Akum im DW-Interview hinzu.
Gabun ohne Bongo. Geht das?
Ali Bongo war 2009 seinem Vater Omar Bongo im Präsidentenamt gefolgt. Der hatte das Land zuvor ganze 41 Jahre lang regiert. Die meisten der zwei Millionen Gabuner haben noch nie eine Regierung ohne Beteiligung der Bongo-Familie erlebt.
Im Dezember 1967, nach dem Tod von Gabuns erstem Präsidenten Léon Mba, war Omar Bongo an die Macht gekommen. Mit eiserner Faust hatte er das Land sowie die Gabunische Demokratische Partei (PDG) geführt. Neben seiner Kompromisslosigkeit trug auch der mit dem Ölboom einhergehende Wirtschaftsaufschwung zu Omar Bongos politischer Langlebigkeit bei, sagen Beobachter.
Sein Sohn "Alain" Bernard Bongo wurde am 9. Februar 1959 in Brazzaville, der Hauptstadt von Gabuns südlichem Nachbarland Kongo geboren. Seine Mutter, Patience Dabany, war eine berühmte Gabuner Sängerin.
Auf Geheiß des Vaters konvertierte die gesamte Familie 1973 zum Islam. Aus dem jungen "Alain" wurde "Ali", der bald an der Pariser Sorbonne ein Studium der Rechtswissenschaften aufnahm. In den Pariser Jahren, aber auch nach seiner Rückkehr nach Gabun, machte Bongo junior zunächst vor allem als Nachtschwärmer von sich reden, aber auch als Musiker: in den siebziger Jahren veröffentlicht er mehrere eigene Schallplatten.
Ali Bongo: Vom Musiker zum Präsidenten
Das sollte ihn allerdings nicht daran hindern, auch politisch aufzusteigen. Erst wird er zum Außenminister ernannt, später übernimmt er das Amt des Verteidigungsministers von Gabun. Diese Position wird er bis zum Tod seines Vaters im Jahr 2009 behalten.
Ali Bongo versuchte, die großen Fußstapfen seines Vaters mit Macht und Courage auszufüllen: Kurz nach dessen Tod stellte er sich als Präsidentschaftskandidat zur Wahl - und landete mit großen Vorsprung vor den Oppositionskandidaten auf dem ersten Platz. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse kam es zu Unruhen mit Toten und Verletzten. Eine Klage der Opposition vor dem gabunischen Verfassungsgericht wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren hatte keinen Bestand.
Auch Ali Bongos Wiederwahl als Präsident im Jahr 2016 führte zu gewalttätigen Demonstrationen. Wieder waren die Wahlen sehr umstritten. Wieder weigerte sich die Opposition, die Ergebnisse anzuerkennen. Sein ärgster Rivale Jean Ping erklärte sich selbst zum Gewinner. Schließlich aber wurde der Wahlsieg Ali Bongos offiziell bestätigt. Ali Bongos erste Wahl 2009 soll stark von Frankreich - unter Präsident Sarkozy - und seinen Geheimdiensten beeinflusst worden sein - sicher ist das aber nicht. 2016 habe Frankreich unter Präsident Hollande eine viel neutralere Rolle gespielt, sagt Gabun-Experte Akum. Frankreich habe Gabun auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln hingewiesen. Das aber änderte nichts an Ali Bongos Politikstil: Seine Bereitschaft, in einen konstruktiven Dialog mit der Opposition einzutreten, nahm eher noch ab, sagen Beobachter.
Spekulationen über Gesundheitszustand
Zwei Jahre später, im Oktober 2018, reiste der 59-Jährige für eine Investorenkonferenz nach Saudi-Arabien. Dort wurde Bongo - anstatt, wie vorgesehen, eine Rede zu halten - ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Regierungssprecher nannte "schwere Erschöpfung" als Ursache. In Gabun kam die Gerüchteküche in Brodeln. Trotzdem wurden erst nach mehreren Wochen die Befugnisse des Vizepräsidenten erweitert, um laut Präsidialamt "die Kontinuität des Staates zu gewährleisten".
"Diesen Schwebezustand, das Chaos, das Machtvakuum versuchten die Putschisten jetzt zu nutzen", sagt Fonth Akum. Vieles deute darauf hin, dass es Machtkämpfe zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb des Militärapparats gebe, die jetzt in der Abwesenheit von Ali Bongo ausgefochten würden. Die Kräfte, die durch einen Putsch an die Macht gelangen wollten und die radikale Veränderungen im Land einführen wollten sind scheinbar gescheitert. Gabun bleibt - zumindest offiziell - in der Hand des Bongo-Clans. Zumindest vorerst.