Selbstanzeige als Ausweg
23. April 2013Für Uli Hoeneß war das Eingeständnis eine Notbremse. Der Präsident des Bundesligaklubs Bayern München hat zugegeben, seit Jahren Geld auf einem Schweizer Bankkonto Geld zu haben, das in Deutschland nicht korrekt versteuert wurde. Die Höhe der Steuerschuld und des in der Schweiz liegenden Vermögens ist nach wie vor unklar. Es soll um Millionen-Beträge gehen. Indem Hoeneß sich selbst anzeigte, könnte er einer möglichen Geld- und Freiheitsstrafe entgehen.
Dazu sind allerdings bestimmte Voraussetzungen nötig. Denn der deutsche Gesetzgeber habe die Strafbefreiung eingeschränkt, sagt der Berliner Experte für Steuerstrafrecht, Martin Wulf. Nur wenn das Finanzamt dem Fall nicht schon auf der Spur ist, könne eine Selbstanzeige helfen. Unwirksam sei das Eingeständnis "erstens, wenn eine Betriebsprüfung begonnen hat, zweitens, wenn ein Steuerstrafverfahren wegen dieser Tat eingeleitet worden ist, und drittens, wenn die Tat entdeckt ist und ich davon Kenntnis habe oder Kenntnis haben müsste."
Die Summe der hinterzogenen Steuern spiele hingegen kaum eine Rolle, so Wulf im DW-Interview. "Auch jemand, der drei Millionen in einem Jahr verdient und nicht versteuert, könne eine Selbstanzeige machen."
In allen westlichen Industrienationen üblich
Der Ausweg über eine Selbstanzeige ist zwar innerhalb des deutschen Rechts eine Ausnahme, denn Steuerhinterzieher sind in Deutschland die einzigen Straftäter, die mit einem Schuldbekenntnis einer Strafe entgehen können. International betrachtet gebe es die Möglichkeit zur Selbstanzeige aber in allen westlichen Industrienationen, sagt Strafrechtsexperte Wulf. "In Spanien und Frankreich ist es ähnlich. In den USA fallen die Regelungen von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich aus."
Massenhafte Selbstanzeigen von Steuersündern gibt es, seit deutschen Behörden die ersten CDs mit eigentlich geheimen Daten von Bankkunden aus Liechtenstein und der Schweiz zugespielt wurden. Spektakuläre Enthüllungen von Steuerhinterziehern folgten, unter anderem die des ehemaligen Post-Chefs Klaus Zumwinkel. 29.000 reuige Betrüger meldeten sich allein im Jahr 2010 bei den Finanzämtern. Sie zahlten ihre Steuerschuld, was dem Staat zusätzliche Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro bescherte.
Im vergangenen Jahr versuchte die schwarz-gelbe Bundesregierung, ein Steuerabkommen mit der Schweiz abzuschließen. Das auf Schweizer Bankkonten gebunkerte Alt-Schwarzgeld sollte rückwirkend für zehn Jahre einmalig besteuert werden - anonym und pauschal. Dadurch hätten sich Steuerbetrüger nicht vor deutschen Finanzämtern offenbaren müssen. Das Abkommen scheiterte jedoch am Widerstand der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat in Berlin.
"Wir haben dieses Schweizer Steuerabkommen auch mit einer gewissen Skepsis gesehen", sagt der Präsident des Bundes deutscher Steuerzahler, Reiner Holznagel. Der Verband habe sich auch darüber geärgert, dass ein Quasi-Amnesty-Effekt dabei sei. "Aber es ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, im Nachhinein die Steuerunehrlichen in ihrer Gesamtheit zur Kasse zu bitten." Mit den CDs würden nur wenige gefasst, so Holznagel im DW-Gespräch.
Weiter Streit um Steuerabkommen
Fußballmanager Hoeneß hatte nach eigenem Bekunden auf das Abkommen gehofft. Weil es nicht kam, geriet er unter Druck und gestand seinen Steuerbetrug. Nun streiten Regierung und Oppositionsparteien erneut darüber, ob Steuerhinterzieher weiter die Möglichkeit haben sollen, sich selber strafmindernd anzuzeigen. Wobei auch innerhalb der Opposition die Positionen unterschiedlich sind. "Es gibt keinen ernsthaften Beleg dafür, dass die strafbefreiende Selbstanzeige Steuerhinterziehung verhindert und 'reuige Sünder' produziert", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Ähnlich äußerten sich auch Politiker der Linkspartei und der Grünen. Die Obfrau der Grünen im Bundestagsfinanzausschuss, Lisa Paus, forderte "höhere Hürden als bisher" für die Selbstanzeige. "Wiederholungstäter dürfen nicht immer wieder von der Strafbefreiung profitieren."
Anders die Position im Regierungslager: Unions-Fraktionsvize Michael Meister wies Forderungen nach Abschaffung der Selbstanzeige oder Korrekturen zurück. Ohne die Regelung könnten viele Delikte nicht oder nur mit großem Aufwand aufgeklärt werden. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Wissing bezeichnete die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren als "in ihrer bestehenden Form sachgerecht und verhältnismäßig". Der "Leipziger Volkszeitung" sagte er, Selbstanzeigen würden in vielen Fällen zu höheren Zahlungen an den Fiskus führen als die eigentlichen Steuerstrafverfahren.
Der Hauptunterschied der beiden Lager bleibt jedoch: Die Regierungskoalition will es Steuersündern ermöglichen, ihre Schuld zu begleichen und anonym zu bleiben. Die Opposition aus SPD, Grünen und Linken lehnt die anonyme Befreiung ab und setzt auf Entlarvungen.
Selbstanzeigen nehmen zu
Die rot-grüne Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) ist mit der bisherigen Gesetzesregelung und dem Ergebnis durch entlarvende Steuer-CDs zufrieden. Die Sprecherin des NRW-Finanzministeriums Ingrid Herden sagte der DW: "Das Land registriert nach dem Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz einen sehr deutlichen Anstieg der Selbstanzeigen. Nordrhein-Westfalen hat dadurch bislang 670 Millionen Euro eingenommen." Auch Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz melden hohe Einnahmen infolge der Selbstanzeigen.
Nicht nur die Ankäufe von CDs mit Bankkundendaten erschweren inzwischen die Machenschaften von Steuerbetrügern. Die Fluchtburgen werden weniger. So machen viele Schweizer Banken zunehmend Druck, indem sie deutschen Kunden nahelegen, ihre Steuerangelegenheiten zu "bereinigen". Wer der Aufforderung nicht folgt, dem droht die Kündigung des Kontos.