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Seltene Hepatitis-Erkrankung befällt kleine Kinder

Clare Roth
22. April 2022

Ärzte rätseln über eine neue, bislang unbekannte Form von Hepatitis, die in einigen Fällen zu schweren Erkrankungen bei Kindern führt. Spielt die Corona-Pandemie eine Rolle?

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Bild: Jens Kalaene/picture alliance/dpa

Gesundheitsbehörden in der Europäischen Union, den USA und dem Vereinigten Königreich untersuchen einen ungewöhnlichen Ausbruch von Hepatitis bei Kindern. Die betroffenen Kinder sind alle jünger als zehn Jahre, viele sogar jünger als fünf Jahre. Einige der Fälle waren so schwerwiegend, dass Lebertransplantationen erforderlich wurden. 

Wodurch die Leberentzündungen verursacht werden, ist unklar. Tests auf die typischen Hepatitis-Viren - A, B, C, D oder E – fielen negativ aus, was Alastair Sutcliffe, Professor für allgemeine Pädiatrie am University College of London, als "sehr ungewöhnlich" bezeichnet.  

Schwere Fälle von Hepatitis bei Kindern sind allgemein sehr selten, meint auch William Irving, Professor für Virologie an der Universität Nottingham. In normalen Jahren lägen die Hepatitisfälle bei Kindern im Vereinigten Königreich eher im einstelligen Bereich. Letzte Woche wurden landesweit 60 Fälle gemeldet. "So etwas ist mir in meiner klinischen Praxis noch nicht begegnet", sagt Irving. "Es ist besorgniserregend, weil wir nicht wissen, was da los ist.” 

Eine rätselhafte Leberentzündung bei kleinen Kindern 

Der Ausbruch wurde von britischen Gesundheitsbehörden erstmals Anfang April gemeldet. Am 19. April meldete das Europäische Zentrum für Seuchenprävention und -bekämpfung (ECDC) weitere Fälle in Spanien, Dänemark, den Niederlanden und Irland. Es wies auch auf Fälle im US-Bundesstaat Alabama hin.  

Bei einer Schnellumfrage in deutschen Kinderhepatologie-Zentren wurden laut der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin bisher keine vergleichbaren Fälle festgestellt.  

Adenovirus als mögliche Ursache 

Hepatitis bedeutet im Grunde nur "Entzündung der Leber". Das Krankheitsbild kann laut dem Virologen Irving verschiedene Ursachen haben. Neben den klassischen Hepatitisviren könne die Entzündung auch durch andere Viren, durch Giftstoffe im Alkohol oder durch Probleme wie Fettleibigkeit ausgelöst werden.  

Bei den aktuell betroffenen Kindern steht laut Irving ein Zusammenhang mit einem speziellen Adenovirus im Verdacht. Denn auffallend viele Kinder, bei denen die mysteriöse Krankheit diagnostiziert wurde, wurden positiv auf eine bestimmte Art von Adenovirus-Infektion getestet: Adenovirus 41.  

Infektionen mit Adenovirus 41 kommen bei Kleinkindern häufig vor und führen normalerweise nur zu leichtem Durchfall und Erbrechen. Mit Hepatitis wurde das Virus bisher noch nicht in Zusammenhang gebracht, meint Irving. Es sei bei den Untersuchungen der aktuellen Fälle aber so häufig aufgetaucht, dass es sich um mehr als einen Zufall handeln könnte - auch wenn es nicht bei allen betroffenen Kindern gefunden wurde. Es sei jedoch auch unklar, ob überhaupt alle Kinder auf das im Verdacht stehende Adenovirus untersucht wurden. 

Weshalb das Adenovirus auf einmal zu Leberentzündungen führen sollte, ist ebenfalls nicht geklärt. Möglich sei, laut Irving, dass es sich um eine besondere Version des Virus handele. Oder dass das Virus mit einem oder mehreren anderen Faktoren interagiert und es so zu den Erkrankungen komme.

Die Entzündungen könnten aber auch durch einen unbekannten, neuen Erreger verursacht worden sein. Oder durch ein Toxin, einen Umweltfaktor oder eine Kombination aus all diesen Möglichkeiten, meint Irving.  

Was ist mit COVID-19?

Auch ob es einen Zusammenhang mit COVID-19 gibt, ist laut dem Virologen nicht geklärt. Es sei möglich, dass einige der betroffenen Kinder zuvor an COVID erkrankt waren und dadurch ein geschwächtes Immunsystem hatten. Das könnte dazu geführt haben, dass typische Kinderviren für den Körper schwerer zu bekämpfen sind. 

Einen kleinen Einblick liefern 13 in Schottland gemeldete Fälle, für die umfangreiche Testergebnisse vorliegen. Von diesen 13 wurden drei positiv auf eine COVID-Infektion getestet, fünf waren negativ und zwei hatten sich in den letzten drei Monaten mit dem Virus angesteckt. Nur 11 der 13 Fälle wurden auf das Adenovirus getestet, wobei fünf von ihnen ein positives Ergebnis lieferten. 

Die Hepatitisfälle könnten aber auch indirekt mit der Corona-Pandemie und den kürzlich weggefallenen Schutzmaßnahmen in Zusammenhang stehen. Denn während Kinder in den letzten zwei Jahren nur mit wenig Krankheitserregern in Kontakt gekommen sind, treffen sie nun wieder auf eine Vielfalt an Viren und Bakterien - einschließlich Adenoviren - gegen die ihr Immunsystem noch keine Antikörper bilden konnte. 

"Es gibt eine Gruppe von sehr jungen Kindern, die weitgehend abgeschirmt wurde. Sie waren also nicht dem Spektrum der Virusinfektionen ausgesetzt, dem sie normalerweise ausgesetzt gewesen wären", so Irving. "Wir haben in diesem Winter bei Kindern eine viel höhere Anzahl von Virusinfektionen festgestellt, einschließlich Adenoviren". 

Anstieg der Hepatitisfälle kein Grund zur Panik

Für den Kinderarzt Alastair Sutcliffe ist eines aber klar: Die Hepatitis wird nicht durch COVID-19-Impfstoffe verursacht, denn die Kinder, die erkrankt sind, waren nicht geimpft. Vermutlich weil Impfungen gegen COVID für Kinder unter fünf Jahren in den meisten Fällen noch nicht erhältlich sind.  

Sutcliffe empfiehlt den Eltern kleiner Kinder, Ruhe zu bewahren. "Soweit ich weiß, geht es vielen [der an Hepatitis erkrankten Kinder] wieder besser, was das Übliche ist. Das Risiko für ein Leberversagen ist sehr gering. Ich denke also, wir sollten nicht übertreiben". 

Der Virologe Irving rechnet mit weiteren Fällen in den kommenden Wochen, wenn die Gesundheitsbehörden den Ausbruch der Krankheit erkennen und verfolgen. Dass Großbritannien die ersten Fälle gemeldet hat, sei wahrscheinlich auf die strengen Meldesysteme des Landes zurückzuführen. 

"Ich verstehe Alabama nicht", sagt Irving. "Ich meine, warum es neun Fälle in einem Staat gibt und keine Fälle in den anderen 49 Staaten. Das ergibt keinen Sinn. Ich denke, das liegt an den Meldesystemen. Denn wenn es in Alabama vorkommt, dann kommt es auch anderswo vor. Sie wissen es nur nicht." 

Mit Screening gegen Hepatitis