Senegal: Afrikas neuer Surfspot
29. Juli 2019"Unsere erste Herausforderung war, mit dem verbreiteten Vorurteil aufzuräumen, Schwarze könnten nicht schwimmen. Schwarze, die nicht schwimmen können, haben Angst vor Wasser, also können sie auch nicht surfen", erzählt Oumar Seye. Oumar sitzt an seinem Schreibtisch in einem seiner beiden Surfshops in Corniche des Almadies, einem wohlhabenden Viertel von Dakar. Der über 1,80 Meter große Mann gründete das "Surfer Paradise", ein Surfcamp mit einer Surfschule, zwei Shops sowie einem Restaurant und einer Lounge. Er ist ein Pionier: Als erster Schwarzer, der jemals einen Profi-Surfvertrag unterschrieben hat, wurde Oumar zu einer Surflegende im Senegal. Der 42-Jährige, der zur westafrikanischen Volksgruppe Lébou gehört, die hauptsächlich vom Fischfang lebt, ist 20 Jahre lang als professioneller Surfer um die Welt gereist. 2013 kehrte er in seine Heimat zurück mit dem Traum, den Senegal zu einem bekannten Surfspot zu machen.
"Unser Reichtum ist unsere Umwelt und der Ozean. Wir sind Kinder des Meeres. Vor allem anderen lernen wir zu schwimmen. Und heute müssen wir lernen, diesen Reichtum zu nutzen", sagt er.
Beste Voraussetzungen für einen Surfspot
Seit den 1960er Jahren kommen Surfer in den Senegal, nachdem das Land 1966 in Bruce Browns Dokumentarfilm "The Endless Summer" zu sehen war. Der Filmemacher hatte die kalifornischen Surfer Mike Hynson und Robert August auf ihrer Suche nach der perfekten Welle rund um die Welt begleitet. Trotzdem sind die Strände des Senegals bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Und das, obwohl das Land eigentlich alles vorweisen kann, was angesagte Surfspots ausmacht: eine entspannte Atmosphäre, gutes Essen und Lebensfreude. Hinzu kommt, dass der Senegal nur fünf Flugstunden von Europa entfernt liegt. Der Senegal ist außerdem, trotz der jüngsten Sicherheitsprobleme in Nachbarländern wie Mali und Niger, eines der stabilsten und zukunftsorientiertesten Länder Westafrikas.
Auf der Halbinsel Cabo Verde gelegen, ist die Küste Dakars sowohl dem Wellengang der Süd- als auch der Nordhalbkugel ausgesetzt. Anfänger und Profis finden hier das ganze Jahr über gute Bedingungen. Beste Voraussetzungen also.
Den perfekten Wellen auf der Spur
Am Strand von Yoff, nördlich von Dakar, spielen senegalesische Kinder im Wasser, während Erwachsene am Strand Sport machen und Verkäufer gegrillten Fisch anbieten. Im Meer teilen sich eine Handvoll einheimische und ausländische Surfer die Wellen, während sich eine Gruppe westlicher Touristen auf ihren ersten Surfkurs vorbereitet. Marta Imarisio macht in einem kleinen Schuppen Smoothies für eine Gruppe Schweizer Surfer. Mit ihren gewellten, sonnengebleichten Haaren, ihren rosa Badeshorts und ihrem hochgekrempelten T-Shirt trägt die 38-jährige Italienerin den typischen Surferlook. Vor zehn Jahren zog sie aus dem italienischen Turin nach Dakar, um das "Malika Surf Camp" zu eröffnen. Sie bietet Surfferien an und bringt einheimischen Kindern das Wellenreiten bei. "Dank der Berichterstattung in den Medien kommen immer mehr Surfer in den Senegal. Und auch weil man von Reisezielen wie etwa Marokko gesättigt ist", sagt sie. "In Dakar gibt es viele verschiedene Arten von Surfspots, es gibt Sand und Felsen, Wellen, die sich nach rechts, links und frontal brechen. Egal, ob man Anfänger oder Profi ist, hier findet man immer eine Welle, die perfekt ist."
Auch die Schweizer Touristin Alexandra Wohlwend will die Wellen im Senegal testen. Sie war bereits auf der ganzen Welt surfen. "Ich habe vor ein paar Jahren durch Surferfreunde vom Senegal gehört und war überrascht, hier so viele Surfspots zu finden", erzählt sie. "Ich war schon in Costa Rica, auf den Philippinen, in Sri Lanka, Peru und anderen Ländern. Für mich ist es ein großer Vorteil, dass die Einheimischen Französisch sprechen, sodass ich mich gut mit ihnen verständigen kann."
Surfen für ein besseres Leben
Die Zahl der Surfer im Senegal habe sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, erzählt Marta. Sie schätzt sie auf etwa einhundert. Dennoch - das Surfen bleibt für die meisten Senegalesen ein Traum. Das Equipment ist sehr teuer, da das meiste aus Europa importiert werden muss. In Dakar kann ein gebrauchtes Surfbrett bis zu 100.000 CFA-Franc (152 €/172 US $) kosten, was einem durchschnittlichen Monatsgehalt im Senegal entspricht und selbst für europäische Verhältnisse hochpreisig ist.
Für senegalesische Surfer ist das Wellenreiten nicht nur Sport, es ist auch ein Weg in ein besseres Leben. "Dank des Surfens verdiene ich meinen Lebensunterhalt und habe viele Leute kennengelernt. Ich bin 2009 sogar zu einem Wettbewerb an die Elfenbeinküste gereist", schwärmt der 25-jährige Mamadou Mbengue, ein dreimaliger senegalesischer Surfmeister, der heute im Malika Surf Camp unterrichtet.
"Wenn du am Meer geboren wirst, willst du nur ins Wasser. Als Kind suchte ich nach alten oder kaputten Surfbrettern und versuchte zu surfen. Es gibt immer noch nicht viele von uns, aber wenn wir Kinder trainieren, wird sich das Surfen im Senegal weiterentwickeln", fügt er hinzu.
Senegal lebt seinen Traum
Mit zehn Surfschulen, die dem senegalesischen Surfverband angegliedert sind, und einer Surfnationalmannschaft macht der Senegal seit kurzem international auf sich aufmerksam. Im März dieses Jahres war das Land die erste westafrikanische Nation, die eine Qualifikationsrunde der Surf-Weltmeisterschaften veranstaltete.
"Mein Traum ist es, den Senegal zu einem der besten Surfspots der Welt zu machen. Wir haben es uns verdient. In Europa und in anderen Ländern ist schon alles weit entwickelt, dort gibt es nichts mehr zu tun. Afrika ist die Zukunft. Es ist Zeit für Afrika", sagt Oumar Seye.