Rapid Manufacturing
19. Dezember 2012Frische Bauteile: T-Träger und mechanische Gehäuse stecken in einem Berg Pulver. Sie werden gerade auf einem 3-D-Drucker der Firma Voxeljet ausgedruckt. Auf der anderen Seite des Pulverberges fährt ein Schieber auf und ab, der mit einem Spritzkopf, ähnlich einem Tintenstrahldrucker, Klebstoff in das Pulver spritzt. Schicht für Schicht entstehen so Produkte.
Dreidimensionale Bauteile lassen sich schon seit einigen Jahren ausdrucken. Bisher wurde das Verfahren vor allem für seltene und teure Prototypen in den Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen genutzt. Aber die Technik ist längst erwachsen geworden. Immer stärker findet sie auch in der Serienproduktion einen Platz. Das Besondere: Auch in einer Serie kann in Zukunft jedes Teil anders aussehen.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt
Allerhand Gegenstände lassen sich dreidimensional direkt ausdrucken. Das gebräuchlichste Verfahren ist das selektive Laserschmelzen (SLM). Ähnlich wie bei dem oben gezeigten Klebeverfahren schmilzt ein Laserstrahl dazu die Umrisse des entstehenden Stücks in eine hauchdünne Kunststoff- oder Metallpulverschicht. Dann schiebt das Gerät frisches Pulver darüber, und der Laser schmilzt eine weitere Schicht auf.
So entsteht, Schicht für Schicht, ein neues Bauteil. Es gibt auch Verfahren ohne Pulver, die einem Tintenstrahldrucker ähnlicher sind: Ein Druckkopf spritzt dabei geschmolzenen Kunststoff Schicht für Schicht auf eine Platte.
Herstellen lässt sich mit solchen Druckern praktisch alles, was als Computermodell vorliegt und nicht größer ist als der Drucker. Auch lassen sich praktisch alle denkbaren Materialien ausdrucken: Kunststoffe, Metalllegierungen und sogar Glas und Keramik. Die so produzierten Metall-Bauteile sind genauso haltbar wie gegossene oder geschmiedete. Und bei der Herstellung fällt kein Abfall an, weil nicht genutztes Pulver einfach wiederverwendet wird.
Zum Herstellen der digitalen Vorlagen lassen sich sogar dreidimensionale Aufnahmen aus einem Computertomographen verwenden. Das ist einer der Gründe, warum diese Technik gerade in der Medizin einen regelrechten Boom erlebt. Jahr für Jahr werden Tausende von Individualimplantaten hergestellt, zum Beispiel Kniegelenke aus Kobalt-Chrom oder auch Hüftprothesen aus Titanlegierungen.
Vorreiter Zahnkronen und -brücken
Vor allem beim Zahnersatz hat die Technik bereits den Sprung hin zur Großserie geschafft. Gerätehersteller schätzen, dass derzeit pro Jahr über sechs Millionen Brücken und Kronen computergesteuert ausgedruckt werden. Angesichts dieser Zahlen müsse man längst von Serienfertigung sprechen, meint Wilhelm Meiners vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen. Trotzdem sei jedes Stück für sich einzigartig: "Zahnersatz ist immer individuell. Die Stückzahl beträgt immer Eins."
Wie schon heute Zahnkronen in riesigen Stückzahlen individualisiert produziert werden, könnten in Zukunft auch einfachere Gebrauchsartikel immer öfter aus dem Drucker kommen: persönlich geformte Schmuckstücke, selbstgestaltete Schaltgriffe im Auto, Modelleisenbahnen oder Ersatzteile für antike Sammlerstücke. "Daraus entstehen auch neue Geschäftsmodelle", betont Meiners.
In Zukunft könne der Endkunde selber sein Computermodell entwerfen und die Datei über das Internet an einen Fertiger schicken. Der könne dann das gewünschte Teil fertigen und an den Kunden zurückschicken. "Das heißt, der Kunde selber wird in den Produktentwicklungsprozess viel stärker mit einbezogen", sagt der SLM-Fachmann.
Jeder wird zum Designer
So arbeitet zum Beispiel die Firma Shapeways. Für den Kunden stellt sie auf ihrer Webseite sogar die nötige Software zur Verfügung, damit der Kunde sich damit selbst etwas gestalten kann.
Nikolai Zaepernick von der Firma EOS aus Krailing bei München freut sich, dass Shapeways mittlerweile zu einem soliden mittelständischen Unternehmen gewachsen ist. "Die produzieren tagtäglich mit unseren Maschinen Tausende von Teilen", sagt der Geschäftsmann. "Die sind zwar immer unterschiedlich, aber auch da kann man schon von 'maßgeschneiderter Massenproduktion' reden." Und dabei gleicht kein Teil dem anderen.
Was paradox klingt, wird immer häufiger Realität. Noch gibt es allerdings ein entscheidendes Hindernis für den großen Durchbruch der neuen Technik: Das Drucken dauert einfach zu lange. Selbst kleinste Teile herzustellen, kann Stunden dauern, weil die neu entstehenden Schichten immer nur hauchdünn sind.
Deshalb versuchen Forscher und Hersteller, die Maschinen schneller und leistungsfähiger zu machen, etwa durch stärkere Laser, die das Pulver schneller schmelzen können. Das geht aber nur, wenn das Material die Hitze noch verträgt und nicht verdampft. Wo das nicht geht, versuchen Hersteller, mit mehreren Laserköpfen gleichzeitig zu arbeiten.
Strategien gegen das Schneckentempo
Ingo Uckelmann Leiter der Forschungsabteilung des Zahnersatzherstellers BEGO in Bremen fühlt sich durch noch etwas anderes ausgebremst: Die bisherigen SLM-Maschinen schmelzen alle in einem geschlossenen Bauraum. "Wir stellen die SLM-Anlage irgendwann an, und dann läuft sie und läuft und läuft und läuft. Und irgendwann ist sie fertig, und wir holen alle Teile aus dem Pulver heraus." Das kann aber 18 Stunden dauern. Erst am Ende liegen dann 400 neue Zahnimplantate auf dem Tisch, die alle in kurzer Zeit nachbearbeitet werden müssen.
Besser wäre es doch, meint der Entwickler, wenn der Zahnersatz schon einzeln aus der Maschine herauskommt, wenn die Teile fertig sind - also kontinuierlich, wie bei einem Fließband. Dann könnten sie auch schneller wieder an die Kunden zurück geschickt werden. Das geht aber nur, wenn das Pulver - wie bei dem oben gezeigten Voxeljet VXC 800 - schräg zur Bauplattform angeordnet ist.
Das Bauteil-Drucken in Schräglage geht nicht nur fließender: "Man kann auch unendlich lange Produkte machen", erklärt Uckelmann. "Theoretisch kann ich mir einen Airbus-Flugzeugflügel ausdrucken. Wenn ich eine Maschine habe, die tief genug ist, geht das - kein Problem."
Wenn die Laser-Schmelz-Produktion aber eines Tages wie am Fließband laufen soll, muss auch die weitere Bearbeitung noch stärker automatisiert werden. "Das, was ich im Moment fertige, kann ich nicht sofort einsetzen. Ich muss es zunächst aus der Maschine herausbekommen, ich muss es vereinzeln und nachbearbeiten," meint Axel Demmer vom Fraunhofer-Verbund Produktion in Aachen.
Dass die Massenproduktion aus dem Computerdrucker die heutige Industrielandschaft stark verändert, ist schon jetzt sichtbar. Wie schnell es weiter geht, hängt von zwei Dingen ab: zum einen von der Produktionsgeschwindigkeit der Maschinen. Und zum anderen davon, ob es gelingt, Roboter zu entwickeln, welche die Bauteile fertigstellen können.