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Sicherheit in Ost- und Südostasien

Rodion Ebbighausen28. Mai 2015

Bereits zum 14. Mal findet die bekannteste Sicherheitskonferenz Asiens statt. Die DW erklärt die drängendsten Sicherheitsprobleme der Region. Eine Lösung braucht nicht nur Gespräche, sondern konkrete Maßnahmen.

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Bild: Reuters

Alles, was rund um den Pazifik militärischen Rang und Namen hat, kommt in den nächsten drei Tagen (29.-31.05.2015) im Singapurer Shangri-La Hotel zusammen, um die drängendsten sicherheitspolitischen Fragen der Region zu diskutieren. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird teilnehmen.

Die Agenda des Veranstalters, des Institute für Internationale und Strategische Studien (IISS) aus Großbritannien, rückt Kooperation, neue Sicherheitsherausforderungen für kleinere Staaten und die Vermeidung eines Rüstungswettlaufs ins Zentrum. Über allem stehen die chinesisch-amerikanischen Beziehungen, deren Bedeutung für die kleineren Staaten der Region und die Territorialkonflikte im Ost- und Südchinesischen Meer.

Chinas militärische Umorientierung

Der gewaltige wirtschaftliche Aufschwung Chinas hat die finanziellen Ressourcen bereitgestellt, um die Streitkräfte zu modernisieren. Seit Jahren steigt der Rüstungsetat der Volksrepublik, wie das Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut (SIPRI) in seinen Jahresberichten zeigt. Von 2002 bis 2013 ist der Etat um 170 Prozent gestiegen.

China Wang Guanzhong
Wang Guanzhong, Stellvertrender Stabschef der chinesischen Volksbefreiungsarmee, auf dem Shangri La 2014Bild: Reuters

2010 formulierte China die "Nationalen Militärstrategischen Richtlinien für eine neue Zeit". Unter dem Schlagwort "aktive Verteidigung" gehe es im Kern um die Abwehr von Invasionen vom Meer, die Verteidigung der territorialen Souveränität und den Schutz der maritimen Rechte Chinas, so der Sicherheitsexperte Carl Thayer von der australischen Universität von New South Wales. Das am Dienstag (26.05.2015) vor dem Shangri-La Dialog veröffentliche Weißbuch Chinas bekräftigt die verstärkt offensive Ausrichtung der Streitkräfte erneut.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping forderte 2014 außerdem eine "neue Art der Beziehungen zwischen den Großmächten". Gemeint sei damit die gegenseitige Anerkennung und der Respekt der jeweiligen "Kerninteressen". Zur Chinas Kerninteressen gehören etwa Tibet und Taiwan. Ein Angebot, das von den USA nicht angenommen wurde.

Wahrnehmung der USA

Militärstrategisch geht es China darum, mögliche Bedrohungen möglichst frühzeitig zu neutralisieren. Als größte Bedrohung werden dabei die USA angesehen, wie der ehemalige australische Premierminister Kevin Rudd, der fließend Chinesisch spricht, in einer aktuellen Studie zu den chinesisch-amerikanischen Beziehungen feststellt. Chinesische Politiker seien überzeugt, dass die USA das Reich der Mitte isolieren, eindämmen, schwächen, intern spalten und die Führung sabotieren wollten, so Rudd.

Infografik Chinas Raketenschirm Deutsch
China setzt auf Raketenabwehr und definiert zwei Verteidigungslinien.

Um dagegen vorzugehen, untermauert China seine strategische Neuausrichtung mit der massiven Modernisierung der Marine und der Dong Feng 21D-Antischiffsrakete, die nach Angabe des US-Verteidigungsministeriums in der Lage ist, auch fahrende Flugzeugträger-Verbände zu treffen. Die gleiche Stoßrichtung hat die von China im November 2013 erklärte Luftraumüberwachungszone (ADIZ) über dem Ostchinesischen Meer und die Konstruktion künstlicher Inseln im Südchinesischen Meer.

Amerikas Verlagerung auf Asien

Die USA antworteten auf Chinas Vorgehen bereits 2012 mit einer neuen "Nationalen Verteidigungsstrategie" und dem von der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton verkündeten "Umschwung nach Asien". Zu diesem gehört ein verstärktes diplomatisches, wirtschaftliches und militärisches Engagement der USA in Asien-Pazifik, insbesondere mit dem Verbündeten Japan und den Philippinen.

Das Pentagon legte 2013 zusätzlich ein Strategiepapier vor, das skizziert, wie das gewachsene chinesische Abwehrpotential umgangen werden kann. Dabei geht es, so der Sicherheitsexperte Thayer, vor allem um die Verlegung und den Ausbau von Hightech-Militärequipment, um die neuen militärischen Fähigkeiten Chinas zu kontern.

Japans aktivere Rolle

Wie wichtig Japan aus Sicht der USA für das strategische Gleichgewicht der gesamten Region ist, zeigt der jüngste Besuch von Shinzo Abe in Washington (26.04. -03.05.2015). Dabei wurden neue Verteidigungsrichtlinien der Bündnispartner verabschiedet, die die Kooperation beider Länder vertieft. So tragen die USA zwar weiterhin die Hauptlast bei möglichen Kampfeinsätzen, Japan wird aber stärker als bisher etwa bei der Logistik, der Raketenabwehr und Aufklärung eingebunden, wie James L. Schoff von der Carnegie Stiftung für internationalen Frieden im Interview mit der Deutschen Welle erklärt. "Die neuen Richtlinien kommen dem von den USA seit langem geforderten stärkeren Sicherheitsengagement Japans entgegen." Tokio hoffe so, der sich verschlechternden Sicherheitslage der Region etwas entgegenzusetzen.

Vietnam und Philippinen

Japan engagiert sich auch verstärkt im Südchinesischen Meer, wo vor allem Vietnam und die Philippinen lautstark gegen China protestieren. Im August 2014 verkaufte Japan an Vietnam sechs Schiffe, die zu Patrouillen im Südchinesischen Meer eingesetzt werden sollen. Der Streit um die Paracel- und Spratly-Inseln hatte in den letzten Jahren wiederholt zu zum Teil gewalttätigen Zusammenstößen geführt. In den letzten Monaten erhitzte insbesondere der Bau künstlicher Inseln durch China die Gemüter.

"Die Philippinen und Vietnam orientieren sich zunehmend Richtung USA", wie Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagt. Sie erhofften sich davon einen Ausgleich gegen den wachsenden Einfluss Chinas.

Indonesien als "ehrlicher Vermittler"

Indonesien, das größte und einflussreichste Land Südostasiens, sieht die wachsenden Spannungen in der Region mit Sorge, wie Felix Heiduk ebenfalls von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin erläutert. "Das Südchinesische Meer steht ganz oben auf der Agenda und ist aus indonesischer Sicht das zentrale sicherheitspolitische Problemfeld." Aber im Gegensatz etwa zu Vietnam und den Philippinen halte sich Jakarta sehr zurück. Es knüpfe damit an seine außenpolitische Tradition, die grundsätzlich auch für andere Staaten in Südostasien gelte: "Die Haltung der ASEAN und auch Indonesiens ist es, die Großmächte und Großmächtekonflikte soweit als möglich aus der Region herauszuhalten."

Das gelingt nur, da Indonesien keine eigenen Ansprüche erhebt. "Zwar hat Jakarta die chinesischen Gebietsansprüche offiziell zurückgewiesen, sich ansonsten aber sehr zurückgehalten", so Heiduk. Nur deswegen würde Indonesien nicht in den Konflikt hineingezogen und könne die selbstgewählte Rolle eines ehrlichen Vermittlers weiter einnehmen. "Das ist ein Drahtseilakt, aber Indonesien ist bisher nicht gestürzt."

Neue Sicherheitsarchitektur notwendig

Die bisherigen Ansätze und Aktivitäten aller Staaten, um der sich verändernden Sicherheitslage in der Region zu begegnen, sind aus der Sicht des Asienexperten Will unzureichend. Worauf es ankomme, sei eine tragfähige Sicherheitsarchitektur auf vertraglichem Fundament aufzubauen. "Derzeit ist das alles frei flottierend, instabil und auf lange Sicht auch gefährlich."

Das Treffen in Singapur kann zur Lösung der Probleme sicher etwas beitragen. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Akteure der Region es bei diesen Gesprächsforen belassen und keine konkreten Maßnahmen ergreifen. Der Shangri-La Dialog sei dann im schlimmsten Fall nicht mehr als ein Feigenblatt.