Sie prägten die Berliner Philharmoniker
Nur sechs Chefdirigenten hatten die Berliner Philharmoniker seit ihrer Gründung 1882. Jeder von ihnen prägte das Orchester nachhaltig.
Der "Maestro"
34 Jahre, so lange hat kein Chefdirigent vor ihm und nach ihm die Berliner Philharmoniker geleitet. Herbert von Karajan sah sich als Vater seiner großen "Orchesterfamilie". Wie er sich die Musik vorstellte, so wurde gespielt. Heute geht es bei den Philharmonikern demokratischer zu. In geheimer Wahl stimmen sie über einen neuen Chefdirigenten ab.
"Musik ist kein Luxus"...
... sagt Simon Rattle. Seit 2002 leitet der Brite das Orchester. Er hat es geschafft, ein breiteres Publikum und besonders junge Leute für klassische Musik zu begeistern. Diese gesellschaftliche Öffnung der Philharmoniker fehlte ihm bei seinem Amtsantritt. Dafür schätzt er die klangreiche Tradition des Orchesters. Die Geister seiner Vorgänger sind Simon Rattle immer gegenwärtig.
Der erste Chef
Die Berliner können ihren Chefdirigenten frei wählen. Angeblich geht dies auf eine Auseinandersetzung im Jahre 1882 zurück. Mitglieder der "Bilseschen Kapelle" hatten sich wegen schlechter Bezahlung von ihrem Dirigenten getrennt und ein eigenes Orchester gegründet. Hans von Bülow übernahm das neue Orchester 1889 als Chefdirigent.
Rauchverbot im Konzertsaal
Essen und trinken, rauchen oder gar reden - wie bis dahin üblich - das war in seinen Konzerten untersagt. Hans von Bülow hielt nicht nur das Publikum an der kurzen Leine, sondern auch seine Musiker. Mit eiserner Disziplin und einer Musikinterpretation, die auf genauer Analyse der Werke beruhte, machte er die Philharmoniker in ganz Deutschland als Eliteorchester bekannt.
Auf dem Weg zum Weltruhm
Arthur Nikisch übernahm das Orchester 1895 und blieb 27 Jahre lang. Stars aus ganz Europa kamen, um mit ihm zu musizieren. Unter Nickisch sprach man bereits vom "warmen" Klang der Philharmoniker, die er mit sparsamen Gesten dirigierte. Ihm war wichtig, dass die Musiker auch ihre Qualitäten als Solokünstler entwickelten. Bis heute sind die Berliner Philharmoniker ein Orchester der "Allstars".
Der Publikumsliebling
Wilhelm Furtwängler, der nach Nikischs Tod 1922 Chefdirigent wurde, konnte nicht nur die Musiker, sondern auch die Zuhörer regelrecht in einen Rausch versetzten. Die in seinen Augen noch unvollständige Komposition wurde erst durch seine Deutung mit Leben gefüllt. Mit Werken aus der Klassik und Romantik avancierten die Berliner Philharmoniker unter ihm zum besten Orchester der Welt.
Mitläufer im Nationalsozialismus
Während der Nazidiktatur leitete Furtwängler das Orchester zunächst weiter, fiel aber dann in Ungnade, weil er Werke jüdischer und "entarteter" Komponisten spielte. Er blieb trotzdem als Gastdirigent in Deutschland. Nach dem Krieg wurde ihm das zum Verhängnis. Erst nach seiner "Entnazifizierung" durfte er 1947 wieder ans Dirigentenpult und wurde 1952 (bis 1954) erneut Chef der Philharmoniker.
Alles für den Spitzenklang
Obwohl Herbert von Karajan als junger Mann sogar Mitglied der NSDAP war, hatte er nach dem Krieg eine glänzende Karriere. In der Ära Karajan wurde die Philharmonie in Berlin gebaut und die Osterfestspiele in Salzburg sowie die Orchesterakademie für Nachwuchsmusiker gegründet. Karajans Einspielungen der neun Sinfonien von Beethoven fehlen in kaum eine Klassiksammlung.
Dem Tempo verfallen
Herbert von Karajan liebte es schnell und das nicht nur in der Musik. Er fuhr Sportwagen und flog selbst Jets. Die Musiker trieb er zu höchster Virtuosität und Perfektion. Karajan war auch für Sensationen gut, etwa als er 1982 mit der Geigerin Madeleine Carruzzo nach 100 Jahren die erste Frau ins Orchester holte. Auch wenn in der neuen Philharmonie leider die Umkleideräume für Frauen fehlten.
Spaß an neuer Musik
Anders als Herbert von Karajan wollte Claudio Abbado weder Maestro noch Chef sein. Welche Interpretation, welcher Klang zu einem Stück passte, das besprach er gemeinsam mit den Musikern. Von 1989 bis 2002 beeindruckte er das Orchester durch Überzeugungskraft und weckte die Neugier auf neue Klänge. In jeder Konzertsaison hatte er ein Motto. Zum Beispiel: "Musik ist Spaß auf Erden".
Der Tausendsassa
Ob in der Philharmonie oder im Gefängnis, ob vor Kindern oder alten Leuten, Sir Simon Rattle lässt das Orchester seit 2002 überall dort spielen, wo er Leute mit klassischer Musik erreichen kann. Auch digital mit Konzerten auf Abruf im Internet. Der charismatische Brite - von der Queen geadelt - hofft, dass auch sein Nachfolger die Öffnung des Orchesters fortsetzen wird.