Siemens erfüllt den Plan - mehr nicht
6. November 20145,5 Milliarden Euro, diesen Gewinn – und da sind die Steuern bereits abgezogen - weist Siemens in seinem Jahresbericht 2014 aus. Das sind immerhin 25 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Eine reife Leistung ist das allerdings nicht, denn die Gewinne sind vor allem auf den Verkauf von Unternehmensteilen zurückzuführen.
Konzernchef Joe Kaeser will sich das Ergebnis trotzdem nicht vermiesen lassen. "Zeigen sie mir ein einziges Unternehmen in Deutschland und in der Welt, das zwei Jahre hintereinander nebenbei einen der größten Umbauten des Unternehmens macht und dabei auch noch die Erträge steigert", parierte er die Nachfrage eines Journalisten bei der Vorstellung der Finanzzahlen in Berlin. Meistens habe man Milliarden Verluste und müsse drei Jahre auf Besserung warten. "Also es hat seinen Sinn, seine Bedeutung und seine Absicht, dass wir den Konzernumbau durch die strategische Neuausrichtung und Fokussierung des Unternehmens finanzieren und darüber hinaus noch den Ertrag steigern."
Siemens zahlt für Altlasten
Abgesehen vom Gewinn hat die Jahresbilanz allerdings wenig Erfreuliches zu bieten. So konnte der Umsatz lediglich um ein Prozent auf 71,9 Milliarden Euro gesteigert werden und auch der Auftragseingang stagniert. Es ist die erste Jahresbilanz, die Joe Kaeser alleine zu verantworten hat. Im August 2013 hat er das Regiment bei Siemens übernommen und gleich damit begonnen, den Konzern massiv umzukrempeln. "Vision 2020" heißt die strategische Neuausrichtung, die seit dem 1. Oktober in Kraft ist und den Konzern schlanker, schneller und kundenfreundlicher machen soll.
Doch Siemens ist ein schwerer Tanker, der für einen Kurswechsel Zeit braucht. Dazu kommt, dass Kaeser mit zahlreichen Altlasten zu kämpfen hat, die ihm sein Vorgänger Peter Löscher hinterlassen hat. "Man kann eben nicht davon ausgehen, dass sich die Welt von einem Jahr auf das andere ändert, auch nicht unsere Performance", sagt Kaeser. "Wir haben ja Projekte, die seit vielen Jahren andauern. Denken sie nur an den finnischen Reaktor Olkilouto, denken sie an die noch ausstehenden Zug-Lieferungen. Da gibt es ein paar Dinge, die noch nicht so fertig sind."
Qualitätsprobleme mit Windkraftanlagen
Und die Siemens jedes Jahr hohe Verluste bereiten, die sich 2014 auf 900 Millionen Euro summierten. Dazu trug auch der eigentlich boomende Bereich der Windkraftanlagen auf hoher See und an Land bei. Rund 1250 Anlagen hat Siemens seit dem Jahr 2000 installiert, für die kommenden vier Jahre liegen bereits 1350 Bestellungen vor.
Die industrielle Fertigung in hohen Stückzahlen ging auf Kosten der Qualität, wie die US-Amerikanerin Lisa Davis, die dem Bereich seit drei Monaten vorsteht, einräumen muss. 223 Millionen Euro kostete es allein im viertem Quartal dieses Geschäftsjahres, um entstandene Schäden zu beheben. "Im Einzelnen sind dies Kosten für Inspektion und Ersatz von Hauptlagern wegen frühzeitigen Verschleißes bei einem bestimmten Onshore-Windturbinentyp und Reparaturkosten für Rotorblätter aufgrund extremer Wetterbedingungen sowohl bei Offshore- als auch bei Onshore-Anlagen." Abhilfe soll nun unter anderem eine Designänderung zum Schutz der Vorderkanten leisten.
Was nicht passt, wird verkauft
Industrieausrüstung und Energietechnik für Großkunden, das sind die Felder, auf die sich Siemens konzentrieren will. Aus diesem Grund wurde kürzlich der US-Turbinenhersteller Dresser-Rand für umgerechnet 5,8 Milliarden Euro hinzugekauft, in der Hoffnung, von dem in den USA boomenden Fracking-Geschäft profitieren zu können.
Abgestoßen wird hingegen das Privatkunden-Geschäft. Für drei Milliarden Euro ging im September der 50-prozentige Anteil am Unternehmen Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) an Bosch. Nun wird auch die Hörgerätesparte für 2,1 Milliarden Euro an die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT und die deutsche Unternehmerfamilie Strüngmann verkauft.
Was wird aus der Medizintechnik?
Ungewiss ist die Zukunft der hochprofitablen Medizintechnik. Konzernchef Joe Kaeser will den Bereich in eine eigene rechtliche Einheit überführen und die Medizintechnik zu einem Unternehmen im Unternehmen machen. Derzeit sei aber nicht geplant, den Bereich an die Börse zu bringen oder zu verkaufen. "Das würde man dann in Erwägung ziehen, wenn sich die Geschäftsmodelle so ändern würden, dass wir auch im Gesundheitssektor akquirieren müssten zu Bedingungen, die mehr der Pharmabranche zurechenbar sind als einer Kapitalgüterindustrie mit Generatoren, Turbinen und Schutzschaltern, Gebäudetechnik und Zügen", so Kaeser. Man wolle das Heft des Handelns jederzeit in der Hand behalten.
52.000 Mitarbeiter beschäftigt Siemens in der Medizintechnik. Sie bangen nun genauso um ihre Jobs wie der Rest der Belegschaft. Denn Kaesers Konzernumbau geht nicht ohne Stellenabbau vonstatten. 2014 schrumpfte die Belegschaft weltweit um 10.000 auf 367.000 Beschäftigte. Wie viele noch folgen werden, das will Kaeser nicht beziffern, er lässt aber keinen Zweifel daran, dass der Um- und Abbau weitergehen wird. "Wir werden nicht warten, bis wir alles zusammen haben und dann sagen wir, jetzt setzen wir uns zusammen und ab dann passiert nichts mehr. Es ist ein lebender Organismus, die globale Wirtschaft und der Wettbewerb bleiben nicht stehen und wir werden ständig diese Anpassungen in beide Richtungen haben."
Bei Siemens bleibt noch viel zu tun, daran lässt Kaeser keinen Zweifel. Bessere Umsatzzahlen will er für 2015 schon allein wegen der vielen geopolitischen Spannungen nicht versprechen. Frühestens 2016 werde es wieder aufwärts gehen – hoffentlich, fügt der Siemens-Chef noch hinzu. So richtig optimistisch wirkt er bei diesen Worten allerdings nicht.