Audienz zum Armdrücken
9. Mai 2018Das US-Team, das am vergangenen Donnerstag in Peking landete, um im Handelsstreit zwischen den USA und China zu vermitteln, hätte hochrangiger kaum sein können: Neben den US-Ministern Steven Mnuchin (Finanzen) und Wilbur Ross (Handel), hatte Donald Trump auch seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer sowie seine wichtigsten Wirtschaftsberater Peter Navarro und Larry Kudlow nach China geschickt. Deutlicher als mit diesem prominenten Aufgebot hätte Washington Chinas Status als aufsteigende Weltmacht kaum betonen können.
China fühlt sich sicher
Dass weder Premierminister Li Keqiang noch Staatspräsident Xi Jinping für die Delegation Zeit hatte, zeugt ebenfalls davon, wie sicher sich China fühlt. Da nützte es auch wenig, dass die Amerikaner ein unbeugsames Forderungspapier vorlegten, das ein wenig so klang, als wollte Washington ein ungezogenes Kind zurechtweisen. "China wird sich nicht Investitionsbeschränkungen, die die Vereinigten Staaten aufgrund von nationalen Sicherheitsbedenken aufstellen, entgegenstellen, sie herausfordern oder Gegenmaßnahmen einleiten", heißt es da etwa. China soll also stillhalten und nichts tun, wenn etwas den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderläuft.
Als Antwort auf die US-Strafzölle dürfe die chinesische Regierung etwa nicht gezielt US-Farmer ins Visier nehmen, in dem sie US-Agrarprodukte wie Soja sanktioniert. China solle bestimmte Schlüsselindustrien nicht mehr subventionieren, etwa die Robotik, E-Mobilität und den Flugzeugbau, in denen sich das Land eine technische Vorreiterrolle erhofft. China müsse außerdem seine Technologietransfer-Politik für ausländische Firmen überarbeiten, heißt es weiter. Und: China müsse sein Handelsdefizit mit den USA bis 2020 um 200 Milliarden Dollar reduzieren. Bis vor kurzem war noch von 100 Milliarden Dollar die Rede gewesen.
Es ist klar was das beutet: Washington dreht noch mal auf, bevor es in die Kompromissphase geht. Dazu gehört auch, dass ZTE, dem zweitgrößten Netzwerkausrüster Chinas, untersagt wurde, sieben Jahre lang amerikanische Technologie zu benutzen. ZTE habe über Scheinfirmen trotz eines Embargos Netzwerktechnik in den Iran geliefert. Ermittelt wird in dem Fall schon seit 2012, als Obama noch US-Präsident war. Seitdem hatten sich der Iran und der Westen aber dank eines Atom-Deals wieder angenähert und die Sanktionen gegen das Land wurden aufgehoben. Dass Trump die Geschichte nun wieder aus der Schublade holt, um im Handelsstreit mit China einen zusätzlichen Hebel in der Hand zu haben, ist offensichtlich. Dass er den Vertrag mit dem Iran aufgekündigt hat, ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen. All das passiert, um eine möglichste gute Ausgangsposition für einen Kompromiss mit China zu haben.
Die USA können Chinas Stabilität nicht gefährden
Das Säbelrasseln ist jedoch eher für die Wähler von Trump gedacht. Der amerikanische Präsident weiß natürlich, dass selbst ein ausgewachsener Handelskrieg mit den USA das chinesische Wachstum nur um 0,1 bis 0,3 Prozentpunkte reduzieren würde, da die Wirtschaft des Landes heute viel weniger von Exporten abhängig ist als in der Vergangenheit. Nur rund ein Fünftel der chinesischen Ausfuhren geht überhaupt noch in die USA. Statt auf Exporte setzt China mittlerweile darauf, die Binnennachfrage zu stärken. Umgekehrt war China 2017 mit einem Volumen von 636 Milliarden Dollar und einem Exportüberschuss von 375 Milliarden Dollar der größte Handelspartner der USA. Hinzu kommt natürlich noch, dass die Chinesen die größten Käufer amerikanischer Staatsanleihen sind. Die Druckmittel sind ungleich verteilt. Ein Handelskrieg täte Peking zwar weh, würde Chinas Wachstum und seine wirtschaftliche Stabilität jedoch kaum angreifen. Deshalb wird bald die Phase beginnen, in denen beide Seiten auf Augenhöhe miteinander reden.
Nächste Woche reist eine hochrangige chinesische Delegation nach Washington. Die Leitung hat Chinas stellvertretender Regierungschef Liu He. Der 66-Jährige ist Xis wichtigster Wirtschaftsberater. Seinen Master hat er in Harvard gemacht. Auch dann wird es noch keine Lösung geben. Dafür braucht es noch die ein oder andere Runde. Aber dass es einen Kompromiss geben wird, mit dem beide Seiten leben können, zeichnet sich jetzt schon ab.
Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.