Sierens China: Chinesischer Bordeaux
29. April 2015Schon in der Antike soll in China Wein angebaut worden sein. Dies hat jedoch nicht gerade zum Ruf des chinesischen Traubensaftes beigetragen. Im Gegenteil: Vor noch fünf Jahren hätte niemand daran geglaubt, dass eines Tages Weine mit dem Namen „Imperial Horse“ oder „Château Changyu“ dem französischen Bordeaux ernsthafte Konkurrenz machen würden. Doch nicht nur die Industrie, sondern auch der Weinbau wird nun modernisiert. Als die Chinesen angefangen haben, Wein zu trinken, galt dieser noch als Luxusprodukt. Der eigene Wein war zwar nicht teuer, er schmeckte aber nicht. In Supermärkten sind daher Importweine immer noch sehr präsent - vor allem die französischen Bordeaux-Weine. Sie machen circa 50 Prozent aller importierten Weine aus. Und umgekehrt gilt dasselbe: Das Reich der Mitte ist für französische Weinproduzenten vom Volumen her der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. Und etwa 25 Prozent aller Bordeaux-Weine werden nach China und Hongkong verkauft.
Es galt also: Wer in China angeben will, protzt mit einem Saint-Émilion oder einem Château Lafite. Allerdings ist dies Vergangenheit. Nachdem der Durst der Chinesen für den Rotwein aus Frankreich 2012 noch grenzenlos erschien, sind die Exporte aus Bordeaux innerhalb eines Jahres um 18 Prozent eingebrochen. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Seit Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Anti-Korruptionskampagne gestartet hat, sind teure Geschenke oder Geschäftsessen nicht mehr „en vogue“. Und zweitens: Die eigene Weinproduktion hat sich in den letzten Jahren verbessert. Die Chinesen trinken immer mehr einheimische Produkte. China hat im vergangenen Jahr auf 799.000 Hektar Wein angebaut und damit erstmals Frankreich auf Platz drei verwiesen, folgt man den Zahlen der Internationalen Organisation für Wein und Rebe.
Wein immer beliebter in China
Kein Wunder, dass China immer weniger Weine aus dem Ausland importiert und sogar zum Weinexporteur aufsteigen will. Die Chinesen sind schon seit 2013 offiziell die größten Rotweintrinker der Welt. Sie haben mit mehr als 1.865 Milliarden jährlich getrunkenen Flaschen die Franzosen als die größten Rotweintrinker der Welt überholt. Und nach einer Studie der führenden französischen Weinmesse Vinexpo wird sich diese Tendenz weiter verschärfen. Bis 2017 soll der chinesische Weinkonsum um 33 Prozent zunehmen. Der Weinmarkt in China ist also noch jung und hat riesige Wachstumschancen.
Inzwischen ist die chinesische Provinz Ningxia zum jüngsten mittlerweile international anerkannten Weinbaugebiet der Welt geworden. Mit ihrem trocken-sonnigen Klima und den fruchtbaren Böden sind die Voraussetzungen für Spitzenweine gut. In der letzten Dekade hat sich diese Region rasant entwickelt. Und obwohl die Weingüter dort eher klein sind, stechen sie mit besonders guten Weinen immer wieder international hervor. Zum Beispiel: Helan Qing Xue. Beim angesehenen britischen Weinpreis „World Wine Award“ werden diese Weine immer wieder ausgezeichnet. Und dabei ist Helan Qing Xue noch ein junges Weingut, das gerade erst 2005 gegründet wurde. „Frankreich pass auf!“, sagt Jancis Robinson bereits. Sie ist neben Robert Parker die bekannteste Weinkennerin der Welt und hat bereits fünf Weine aus Ningxia als „exzellent“ bewertet. Und da liegt sie nicht ganz falsch.
Auch ausländische Hersteller bauen in China an
Deutsche und Amerikaner haben sich in Ningxia bereits niedergelassen. Und sogar der französische Konzern Pernod Ricard baut nun seit 2012 Rotwein in Ningxia an. Die Region will bis 2020 mehr Wein produzieren als Australien. Dass die Chinesen die größten Rotwein-Trinker der Welt sind, stimmt allerdings nur, wenn das globale Volumen betrachtet wird. Vergleicht man den jährlichen Pro-Kopf-Konsum, steht China noch im Hintergrund: Während Chinesen pro Jahr zwei Gläser Wein pro Kopf trinken, sind die Franzosen schon bei 50 Flaschen Wein pro Kopf im Jahr. Die Chinesen müssten sich also in dieser Hinsicht noch etwas anstrengen, bevor sie im Durchschnitt vom Weintrinken Kopfschmerzen bekommen.
DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.