Gabriel: "Wir tun für Yücel, was wir können"
25. Februar 2017Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hält den fortdauernden Polizeigewahrsam für "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel in der Türkei für unangemessen. "Es ist weder nötig noch fair, Deniz Yücel bis zu einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung so lange seine Freiheit zu nehmen", sagte Gabriel der "Welt am Sonntag". "Er hat sich ja gerade aus freien Stücken gestellt, um eine Aussage zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen machen zu können."
Yücel wurde am 14. Februar festgesetzt. "Das mag von der türkischen Strafprozessordnung unter den Bedingungen eines Ausnahmezustands formal erlaubt sein", sagte Gabriel. Es sei aber sehr lang. Yücel ist sowohl türkischer als auch deutscher Staatsbürger. Dem Journalisten werden laut Medienberichten Datenmissbrauch, Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Frist läuft am Dienstag ab
Gemäß dem geltenden Ausnahmezustand kann die Polizei Menschen in der Türkei bis zu 14 Tage festhalten, ohne dass diese einem Richter vorgeführt werden müssen. Im Fall Yücel läuft die Frist am kommenden Dienstag ab. "Jetzt ist der Moment für die türkische Justiz zu entscheiden - und das im Lichte der herausragenden Bedeutung unbehinderter Arbeit freier Medien", forderte Gabriel. "Wir tun weiter alles, was wir können, damit es eine gute Lösung gibt."
Am Freitag hatten mehr als 160 Bundestagsabgeordnete die türkische Regierung aufgerufen, sich für eine schnelle Freilassung Yücels einzusetzen, "aus Sorge um die deutsch-türkische Freundschaft", wie es in dem Schreiben an den türkischen Botschafter in Berlin, Kemal Aydin, heißt. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge initiierten die Außenpolitiker Niels Annen (SPD) und Omid Nouripour (Grüne) den Aufruf. Auch die Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer (CSU), Ulla Schmidt (SPD) und Claudia Roth (Grüne) haben ihn unterzeichnet.
Ermittlungsakte ist geheim
Yücel wird nach Angaben seines Anwalts im Polizeigewahrsam bislang korrekt behandelt. Menschenrechtsverletzungen im engeren Sinne habe es nicht gegeben, sagte der Istanbuler Jurist Veysel Ok der "Tageszeitung". Doch die Verlängerung des Polizeigewahrsams um eine weitere Woche sei an sich schon eine Menschenrechtsverletzung. Laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) müssten Personen, die sich in Gewahrsam befinden, in kürzester Zeit einem Richter vorgeführt werden - selbst während des Ausnahmezustands.
Yücels Ermittlungsakte unterliege einem Geheimhaltungsbeschluss, weshalb die Anwälte die konkreten Beschuldigungen nicht kennten, die gegen ihn erhoben werden. Auch das verstoße gegen die Maßgaben des EGMR, so der Jurist. Demnach müssten alle Informationen und Beweise aus einer Ermittlungsakte für die Verteidiger des Verdächtigen zugänglich sein, sofern dieser keine außerordentliche Gefahr darstelle. "Und es ist offenkundig, dass ein Journalist wie Deniz Yücel keine Gefahr darstellt", erklärte Rechtsanwalt Ok.
Yücel hatte wie zahlreiche andere Journalisten internationaler Medien über E-Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak berichtet, eines Schwiegersohns von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die Mails, in denen es unter anderem um manipulierte Twitter-Accounts und die staatliche Kontrolle über die Medien ging, waren von dem linksgerichteten türkischen Hackerkollektiv "Redhack" veröffentlicht worden.
jj/wl (dpa, afp, epd)