SIPRI: Mehr Krisen, mehr Waffenhandel
22. Februar 2016Vor gerade mal zehn Tagen hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz der russische Premierminister Dimitri Medwedew die Welt in einem neuen Kalten Krieg gesehen. In der Ukraine und besonders im Mittleren Osten toben bereits Kriege. In Ostasien macht das aggressive Auftreten Chinas den Nachbarn Sorgen, während in Südasien die Beziehungen zwischen den Rivalen Indien und Pakistan weiterhin höchst angespannt sind.
Gleichzeitig wächst weltweit die Terrorgefahr. Die extrem angespannte globale Sicherheitslage spiegelt sich in den florierenden Geschäften der großen Waffenschmieden. Das geht aus den neuesten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI hervor. Um die Schwankungen bei großen Rüstungsaufträgen auszugleichen, stellen die SIPRI-Experten die weltweiten Waffentransfers in Fünf-Jahres-Zeiträumen dar. Weltweit wurden in den letzten fünf Jahren 14 Prozent mehr Waffen exportiert als in den fünf Jahren zuvor.
Mittlerer Osten: Mehr Krisen, mehr Waffen
Die meisten gingen nach Asien und in die Krisenregion Mittlerer Osten. Zwischen Persischem Golf und Bosporus stiegen die Importe schwerer Waffen - nur auf die bezieht sich der SIPRI-Bericht - um 61 Prozent. Zwischen 2011 und 2015 hat nur Indien mehr Waffen importiert als das 30 Millionen-Einwohner-Land Saudi-Arabien. Das Ölscheichtum hat seine Waffenkäufe gegenüber dem Zeitraum 2006 bis 2010 fast verdreifacht. Schon auf Platz vier der größten Waffenimporteure folgen die mit gerade mal fünf Millionen Einwohnern bevölkerten Vereinigten Arabischen Emirate, auf Platz sechs die Türkei.
SIPRI-Experte Pieter Wezeman zeigt sich von der Entwicklung wenig überrascht. Die Region sei von Konflikten geprägt - sowohl von internen als auch von solchen zwischen Staaten, sagte Wezeman im DW-Interview. Die Staaten der Region würden über große Budgets verfügen. Das würde sich durch den niedrigen Ölpreis erst jetzt ändern. Außerdem hätten diese Länder keine eigene Waffenindustrie und seien deshalb auf Einkäufe auf dem internationalen Markt angewiesen.
Mexiko: Verdreifachte Importe
Weitere auffallende Bewegungen auf Käuferseite: Mexiko hat seine Importe schwerer Waffen in den letzten fünf Jahren gegenüber 2006 bis 2010 mehr als verdreifacht. Eine Folge des Drogenkrieges, dem in den letzten zehn Jahren geschätzt 100.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Waffenhandelsexperte Wezeman erläutert, Mexiko habe unter anderem stark in leicht gepanzerte Fahrzeuge investiert. "Fahrzeuge, die vor Angriffen mit Sturmgewehren oder Maschinengewehren schützen, aber nicht vor dem Beschuss von Raketen", so Wezeman.
Afrika: Armut verhindert Hochrüstung
In Afrika entfällt über die Hälfte der Waffenimporte auf nur zwei Staaten: Die Nachbarländer Marokko und Algerien. Beide Staaten verfügen wegen ihrer relativ guten Wirtschaftslage über ausreichend Mittel für den Waffenkauf. Und, erläutert der SIPRI-Experte: Beide Staaten beäugten sich mit großem Mißtrauen und sind in einen Rüstungswettlauf miteinander eingetreten.
Insgesamt sei besonders Sub-Sahara-Afrika trotz der zahlreichen schwelenden Konflikte wegen der vielerorts schwachen Wirtschaft ein eher unbedeutender Markt für schwere Waffen. Wezeman sieht darin auch ein Problem. Denn viele afrikanische Staaten sind zwar in Friedensmissionen eingebunden. Oft aber würden die ihre Soldaten schlecht ausrüsten - oder falsch: "Diese Staaten investieren nicht in die Waffen, die für UN-Operationen erforderlich wären. Sie investieren in andere Waffen, die sie mehr des Prestiges wegen kaufen."
USA: Weltgrößter Waffenhändler
Auf der Seite der Waffenexporteure haben die USA und Russland ihre Positionen als wichtigste Lieferanten von Kriegsgerät ausgebaut. Ein Drittel der weltweiten Waffenexporte entfällt allein auf die USA, die noch um 27 Prozent zulegten. Die USA haben vor allem in der Krisenregion Nah-Mittelost für steten Nachschub gesorgt: Der wichtigste Kunde der Amerikaner war Saudi-Arabien, an zweiter Stelle stehen die Emirate, gefolgt von der Türkei.
Aus Russland stammt ein Viertel der globalen Waffenexporte. Die wichtigsten Kunden saßen in Indien, China und Vietnam. China hat seine Waffenexporte mit einer Steigerung um 88 Prozent gegenüber 2006 bis 2010 fast verdoppelt. Mit knapp 6 Prozent am weltweiten Waffenhandel steht China jetzt vor Frankreich auf Platz drei und hat sich als wichtiger Produzent auf dem internationalen Waffenmarkt fest etabliert. Wezeman führt das auf die gestiegene Qualität der chinesischen Waffen zurück. Hauptsächlich geht chinesisches Kriegsgerät an Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Aber auch in Afrika versuche China als Waffenlieferant Fuß zu fassen.
Die westeuropäischen Staaten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien hatten zwischen 2011 und 2015 gemeinsam ein Fünftel des weltweiten Waffentransfers in der Hand. Dabei sanken die Exporte Frankreichs um knapp 10 Prozent. Die deutschen Waffenexporte gingen sogar um die Hälfte zurück. Der Grund: Die Wirtschaftskrise in vielen Ländern Europas. Einigen europäischen Staaten fehle schlicht das Geld für teure Rüstung, erläutert Wezeman. Das wiederum erhöhe den Druck auf die europäische Waffenindustrie, neue Märkte aufzutun. Gerade Deutschland versuche aggressiv, seine Waffensysteme etwa im Mittleren Osten oder in Asien zu verkaufen, hat der Waffenexperte aus Stockholm beobachtet.