Auch Serbien überfordert
10. September 2015Der stete Anstieg der Flüchtlingszahlen bringt Serbien mehr und mehr an seine Belastungsgrenze. Alleine am Donnerstag seien 5540 Menschen neu registriert worden, teilte der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic im Staatsfernsehen RTS mit. Das bedeutet einen Rekord für das Balkanland. Bisher waren im Schnitt täglich etwa 2000 Migranten aus Mazedonien angekommen.
Serbien ist ein wichtiger Punkt auf der sogenannten Balkanroute. Diese führt von der Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Von dort versuchen viele Flüchtlinge weiter nach Deutschland oder Skandinavien zu gelangen.
Hilfe von der EU
Zuletzt hatte Belgrad mehr finanzielle Hilfen von der Europäischen Union gefordert. In Anbetracht des nahenden Winters habe Serbien um "dauerhafte Unterstützung" gebeten, erklärte die stellvertretende EU-Kommissarin für Migration und Innere Angelegenheiten, Danijela Popovic Roko. Im August hatte die EU bereits 1,5 Millionen Euro freigegeben, die als Soforthilfe an Serbien und Mazedonien geflossen sind. Damit sollte die Grundversorgung für Flüchtlinge in diesen Ländern gewährleistet werden.
Auch Mazedonien überdenkt angesichts der Flüchtlingssituation härtere Maßnahmen. Nach dem Vorbild Ungarns erwägt die Regierung in Skopje den Bau von Grenzzäunen. "Wir brauchen auch irgendeine Art von äußerer Verteidigung, um die Zahl illegaler Grenzübertritte zu senken", sagte Außenminister Nikola Poposki der ungarischen Wirtschaftszeitschrift "Figyelö". Dafür kämen "entweder Soldaten oder ein Zaun oder eine Kombination aus beidem" infrage. Auf dem Weg Richtung Westen passierten in diesem Jahr bereits 160.000 Menschen das Land. Poposki erklärte, derzeit würden täglich etwa 4000 Flüchtlinge über die Grenze gelassen. Er beklagte, dass es "keine europäische Übereinkunft" zum Umgang mit der Flüchtlingskrise gebe.
175km ungarischer Grenzschutz
Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán scheint ebenfalls fest entschlossen, den Flüchtlingsstrom an der Grenze zu Ungarn einzudämmen. So kündigte Regierungssprecher Lazar Janos an, dass der Zaun an der Grenze zu Serbien voraussichtlich schon Anfang Oktober fertig werde. Der bis zu vier Meter hohe und 175 Kilometer lange Grenzzaun diene dem Schutz des Landes, bekräftigte Lazar. Er betonte, Budapest sehe Serbien und Griechenland als sichere Staaten an, in denen Flüchtlinge stattdessen Asyl beantragen könnten.
In den Aufnahmelagern an der ungarisch-serbischen Grenze verschärft sich unterdessen die Situation weiter. Das berichtete DW-Korrespondentin Anja Koch. Ohne Strom, vernünftige sanitäre Anlagen und ausreichenden Schutz vor Regen warteten derzeit tausende Menschen an der ungarisch-serbischen Grenze darauf, weiterreisen zu können.
Kein Ausharren im Niemandsland
Unterdessen reagierte Ungarn auf die Kritik der Vereinten Nationen und erklärte, doch keine sogenannten Transitzonen für Flüchtlinge einzurichten. Dies habe "die Vernunft angeordnet", erklärte Regierungssprecher Lazar. Flüchtlinge könnten ihre Anträge auf Asyl stattdessen wie gewohnt an mehreren Bearbeitungsstellen bei Erstaufnahmezentren im Land stellen.
Als Reaktion auf die steigenden Flüchtlingszahlen hatte das ungarische Parlament zuletzt eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um Migranten an der Einreise zu hindern. Darunter auch die Einrichtung der Transitzonen im Niemandsland zwischen Ungarn und Serbien, in denen Flüchtlinge bis zur Entscheidung über ihre Asylanträge ausharren sollten. Bei einer Ablehnung hätten sie so sofort zurückgeschickt werden können, ohne auf ungarisches Territorium gelassen zu werden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hatte die Pläne Budapests scharf kritisiert.
Wegen der Überlastung von Zügen aus Ungarn hat auch die österreichische Bahngesellschaft Konsequenzen gezogen und den Verkehr eingestellt. Ohne die Kappung der Bahnverbindungen könne eine geordnete Abwicklung nicht mehr gewährleistet werden, erklärten die Österreichischen Bundesbahnen. An diesem Freitag wurde auch die österreichische Autobahn A4 im Grenzbereich zu Ungarn gesperrt. Flüchtlinge hätten sich zu Fuß auf den Weg Richtung Wien gemacht, sagte ein Polizeisprecher.
nin/sc (dpa, rtr, afp, ape)