Skitourengehen - ein schweißtreibendes Vergnügen
12. April 2013"Hallo Andreas, ich bin der Armin", hatte sich der Bergführer am Telefon gemeldet. Leider könne ich nicht am zweiten Tag mit auf den Berg, wenn ich nicht am ersten Tag die Einführung zum Skitourengehen mitgemacht hätte. Freundlich aber bestimmt. Also gut, dann die Einführung. Ich hatte nur einen Tag Zeit, aber wissen wollte ich schon, wie sich das anfühlt, wie das geht. Mit Skiern hinauf auf den Berg.
Wie das mit dem Wetter in den Bergen ist – nämlich wechselhaft – das musste ich gleich bei meiner Anfahrt erleben. Die Schneeketten habe ich nicht gebraucht, auf den Serpentinen zur Sonnenalpe bei Sonthofen. Es ist Anfang Februar, tiefster Winter, 1100 Meter hoch, aber es regnet. Schneebedeckte Hänge wechseln sich ab mit braunen Wiesen. Ein Regenschirm wäre besser gewesen.
Wetter statt Winderwunderland
Wir sind sieben: zwei Ehepaare, zwei Einzelkämpfer und der Bergführer. Leidliche Skifahrer, aber Anfänger was das Skitourengehen betrifft. Es geht gleich los, Schuhe und Skier werden verteilt, die Felle unter die Bretter geklebt. Die sollen verhindern, dass man bei jedem Schritt bergauf wieder runterrutscht. "Wir werden heute klatschnass, zieht eure Regensachen an", sagt Armin. Jeder bekommt außerdem ein Lawinensuchgerät, Sonde und Schaufel in den Rucksack. Nicht dass wir das an diesem Tag brauchen, aber wir sollen ja was lernen. Dazu gehört, dass man sich am Berg nie sicher sein kann.
"Beim Gehen nicht die Skier anheben, sondern nur nach vorne schieben." Wir beginnen mit einer mäßigen Steigung, im Zickzack hinauf, immer in der Spur des Vordermanns. Dann müssen wir die Skier wieder abschnallen, es folgt eine steinige Passage durch den Wald. Unser Schnaufen wird begleitet vom Plätschern des Regens und eines Waldbachs. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt, ein bisschen mehr Winterwunderland.
Herausforderung Spitzkehre
Vor dem nächsten Schneefeld testen wir das Lawinensuchgerät. Jeder trägt einen zigarettenschachtelgroßen Senderempfänger unter der Jacke am Körper, damit das Gerät bei einer Lawine nicht vom Tourengeher getrennt wird. Armin erklärt uns, wo auf der vor uns liegenden Erhebung die Gefahren lauern. Dort, wo sich abhängig von Windrichtung und Sonneneinstrahlung Schneemassen häufen können.
Beim jetzt anstehenden Schlussaufstieg warten 30 Prozent Steigung, zu wenig für eine ernste Lawine, genug, um kräftig zu schwitzen. Jetzt wird es lustig. So sieht es wenigstens aus. Wir üben die Spitzkehre. Unverzichtbar, wenn man ins steile Gelände kommt und nicht mehr in Kurven hochgehen kann. Zuerst den Talski belasten, den Bergski parallel umsetzen und belasten. Dann das Bein mit dem Talski nach hinten anheben und ebenfalls umsetzen. Heiteres Verrenken bei allen Teilnehmern, aber dann klappt es doch.
Runter kommen wir alle
Oben angekommen - die Aussicht auf die Allgäuer Berge ist bescheiden - pfeift der Wind. Wir sind nass, außen und innen. Aber glücklich, wir haben es geschafft. Haben uns eine Abfahrt verdient, ohne Lift. Der würde jetzt auch gar nicht mehr laufen, die Dämmerung setzt ein. Schnell die Felle von den Skiern gelöst und im Rucksack verstaut, Schuhe und Bindungen auf Abfahrtmodus gestellt und los geht's. Die verregnete Altschneedecke hat so ihre Tücken. Ich muss erkennen, dass präparierte Pisten doch etwas einfacher zu fahren sind. Egal, runter kommen wir alle und ein bisschen stolz sind wir auch.
"Will jemand noch Yoga machen?", fragt Armin, nachdem wir die Skier abgeschnallt haben. Nein, wir ziehen alle die Dusche vor, es reicht fürs Erste. Und nach dem gemeinsamen Abendessen gibt es ja noch eine Lektion in Lawinenkunde. Die Begeisterung für die Berge hat er uns vermitteln können, aber noch wichtiger ist ihm der Respekt.
Achtung Lawinengefahr
"Ich habe selber habe noch niemand aus dem Schnee buddeln müssen", sagt Armin und das solle auch so bleiben. Eine wichtige Orientierung für Skitourengeher ist der Lawinenbericht der regionalen Bergwacht. Dabei sind auch schon vorsichtige und erfahrene Skitourengeher Opfer von Lawinen geworden. Eindringlich erzählt Armin uns von einer achtköpfigen Tourengruppe, die trotz einer geringen Gefahrenstufe auf einer relativ sicheren Route am Kleinen Kaserer in Tirol von einer Schneebrettlawine überrascht wurde. Ein Tourengeher verstarb noch am Berg, zwei wurden schwer verletzt.
Das Skitourengehen sei in den letzten Jahren sehr viel populärer geworden. Manchmal wundere er sich, wer alles hineingehe, ins Gelände – und auch wieder heil herauskomme, sagt unser Bergführer. Es ist spät geworden. Etwas neidisch verabschiede ich mich von der Gruppe. Die wird an den folgenden zwei Tagen noch 'richtige' Berge erklimmen. Mit so reizvollen Namen wie Sonnenkopf oder Hahnenköpfle. Die Beine schmerzen, aber ich werde wieder kommen. Beim nächsten Ausflug in die winterliche Berglandschaft will ich nicht mehr nur mit dem Lift auf präparierte Pisten. Sondern aus eigener Kraft mit Skiern auf den Berg.