Skoda: Die Tochter frisst die Mutter
15. April 2016Als Volkswagen vor 25 Jahren beim Autobauer Skoda einstieg, ahnte kaum jemand, was für ein Erfolg sich innerhalb weniger Jahre einstellen würde. Autos aus dem ehemaligen Ostblock galten als unzuverlässige Rostlauben.
Die tschechoslowakische Staatsfirma schrieb Anfang der 1990er Jahre Verluste und stellte weniger als 200.000 Kompaktwagen des Modells "Favorit" im Jahr her. Ein Manager einer großen amerikanischen Automarke sagte angesichts der damals 21.000 Beschäftigten nur trocken: "Das machen wir mit 4000 Leuten."
Die Unkenrufer sollten nicht recht behalten. Heute produziert die Marke mit dem geflügelten Pfeil mehr als eine Million Fahrzeuge im Jahr.
Auch die Zeiten, in denen Volkswagen Skoda als Einsteigermarke etablieren wollte, sind längst passé. Skoda zeige die gleiche Wertigkeit wie Ford, Opel und die Konzernmarke VW, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center der Uni Duisburg-Essen. Und fügt hinzu: "Man könnte sagen, die Tochter Skoda frisst ihre Mutter."
Beinahe französisch geworden
Doch beinahe wäre Skoda am 16. April 1991 nicht zu 31 Prozent deutsch, sondern französisch geworden. Renault hätte in Mlada Boleslav gerne von den niedrigen Löhnen profitiert und einen Kleinwagen gebaut, den späteren Twingo.
Französische Minister und Präsident François Mitterrand gaben sich in Prag die Klinke in die Hand. Die Tschechoslowakei galt als Tor zum vielversprechenden mittel- und osteuropäischen Automarkt.
Gegen Renault sprach, dass Skoda als eigenständige Marke untergegangen wäre, sagte der damalige Ministerpräsident des tschechischen Teilstaats, Petr Pithart, einmal im dpa-Gespräch. Angesichts antideutscher Ressentiments war der Zuschlag für VW eine gewagte Entscheidung für den Christdemokraten: "Es war politischer Selbstmord", sagte Pithart unverblümt.
Der eigentliche Volkswagen
Heute ist das kaum mehr vorstellbar. Skoda ist zu einer globalen Marke geworden. Größter Absatzmarkt ist nicht mehr Tschechien, sondern das bevölkerungsreiche China. Als der chinesische Staatspräsident Xi Jinping Ende März Prag besuchte - sein einziger Zwischenstopp auf dem Weg in die USA - wurden wichtige Verträge unterschrieben.
Gemeinsam mit dem staatlichen Autohersteller SAIC will Skoda in den nächsten fünf Jahren rund zwei Milliarden Euro unter anderem in die Ausweitung der Modellpalette investieren.
Die Ausrichtung auf Wachstumsmärkte wie China, Indien und Russland ist nach Ansicht von Autoexperte Dudenhöffer ein absolut richtiger Schritt. "Die Marke hat Potenzial und es wäre sehr schade, dieses Potenzial nicht zu nutzen", sagt er.
Er würde sogar dazu raten, den Neustart in den USA nach dem Dieselskandal mit der Marke Skoda zu wagen. "Skoda ist nicht als Verlierer-Marke - wie die Marke VW in den USA - gebrandmarkt."
Ausnahmefall Skoda
Ein Vierteljahrhundert, nachdem Skoda als vierte Marke in den Volkswagen-Konzern aufgenommen wurde, fragen sich viele Tschechen: Warum gab es bei der Privatisierung des Staatseigentums nicht mehr Leuchtturmprojekte? "Haben wir uns Anfang der 1990er Jahre zu früh damit abgefunden, dass es nur eine Erfolgsikone wie Skoda geben würde?", fragte vor wenigen Tagen die Zeitung "Hospodarske noviny".
In vielen anderen Fällen sei das Volksvermögen in dunklen Kanälen verschwunden - eine Diskussion, die von den jüngsten Enthüllungen über Briefkastenfirmen reicher Tschechen in Panama angeheizt wird.
Skoda habe indes von der konservativen und langfristig angelegten Strategie des "deutschen Kapitals" profitiert, meint die Zeitung. Autoexperte Professor Dudenhöffer fasst den Erfolg wie folgt zusammen: "Der eigentliche Volkswagen - sprich saubere Qualität und gutes Preis-Leistungs-Verhältnis - ist der Skoda."