Slowenien fühlt sich alleingelassen
23. Oktober 2015Nach der Abriegelung Ungarns für die Flüchtlinge hatte die Führung in Slowenien sich schon auf hohe Transitzahlen eingestellt und erkennen lassen, dass man es besser und humaner machen wolle als die Nachbarn auf dem Balkan. Jetzt muss man aber eingestehen, hoffnungslos überfordert zu sein: Angesichts des permanenten Flüchtlingsandrangs schließt die Regierung in Ljubljana auch den Bau eines Zauns an der Grenze zu Kroatien nicht mehr aus, sollten dem Land beim Krisengipfel in Brüssel am Sonntag keine konkreten Hilfen zugesagt werden.
Auch in Slowenien Zäune und Stacheldraht?
Dies sei eine letzte Option, drohte Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar in der Nacht zum Freitag in einer TV-Ansprache. Er war bislang gegen den Bau eines Grenzzauns. "Noch ist der Moment nicht gekommen", sagte Cerar. Sollte es bei EU-Krisentreffen aber nicht genügend Zugeständnisse geben, sei "alles möglich".
Slowenien hält den Bau eines Grenzzauns nicht zuletzt aus logistischen Gründen für schwierig. Cerar verwies auf die 670 Kilometer lange Grenze zu Kroatien. "Einen Zaun zu bauen wäre schwierig, und selbst wenn er errichtet ist, müssen Polizei und Armee ihn ständig überwachen", räumte der Ministerpräsident ein.
In Ljubljana erhofft man sich von der EU Finanzhilfen von 140 Millionen Euro sowie logistische und humanitäre Unterstützung, um den Flüchtlingsandrang in den Griff zu bekommen.
Slowenien ist zu einem neuen Brennpunkt in der Flüchtlingskrise geworden. Von Samstag bis Freitagmorgen waren nach Behördenangaben 47.510 Flüchtlinge in das nur zwei Millionen Einwohner zählende EU-Land gekommen. Die Menschen wollen meist weiter nach Österreich und Deutschland. Derzeit sind 14.200 Flüchtlinge innerhalb Slowenien unterwegs, in Sammel- oder Registrierungsstellen oder auf dem Treck Richtung Norden. Cerar meinte in seiner Rede, das wäre "als wenn nach Deutschland eine halbe Million Menschen an einem Tag" eingereist seien.
Ungeachtet scharfer Kritik habe Kroatien allein in der vergangenen Nacht wieder 4000 Menschen an der Grenze zu Slowenien abgesetzt, meldete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Auf der anderen Seite habe zudem Österreich die Weiterreise von Flüchtlingen in der Nacht gestoppt.
Auch an der serbisch-kroatischen Grenze verbrachten tausende Migranten bei eisigen Temperaturen die Nacht im Freien, darunter viele Familien mit kleinen Kindern. Die verzweifelten Menschen hätten in der Nähe nach Ästen für ein Feuer gesucht, einige hätten unter Planen und Zelten ein wenig Schutz gefunden, berichtete die UN-Flüchtlingsorganisation.
Zahl der Flüchtlinge in Griechenland steigt weiter
Auch insgesamt lässt der Ansturm von Flüchtlingen auf Europa nicht nach. Allein in den fünf Tagen bis Mittwoch seien 48.000 Menschen in Griechenland angekommen, so viele wie seit Jahresanfang nicht, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) jetzt mit. Über das Mittelmeer seien damit 2015 bislang 681.000 Menschen nach Europa geflüchtet. Die meisten ziehen über die sogenannte Balkan-Route weiter nach Norden.
Nach Einschätzung von Amin Awad, Nahost-Direktor beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, erschwert das militärische Eingreifen Russlands die Lage in Syrien. Seit Beginn der Bombardierungen und der Kämpfe um die Handelsmetropole Aleppo seien etwa 50.000 Menschen vertrieben worden. Die meisten von ihnen hätten sich aber in anderen Landesteilen in Sicherheit gebracht.
SC/cr (APE, afpe, rtr, dpa)