Sloweniens EU-Ratsvorsitz startet mit Eklat
1. Juli 2021Zum Auftakt der EU-Ratspräsidentschaft Sloweniens ist es bei einem Treffen zwischen der EU-Kommission mit Ministerpräsident Janez Jansa zu einem Eklat gekommen. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans boykottierte nach den Gesprächen in der slowenischen Stadt Kranj demonstrativ den Termin für das Familienfoto, weil sich der rechtsnationale Jansa zuvor in einer Arbeitssitzung über angeblich kommunistische Richter und Abgeordnete in seinem Land beschwert hatte. Dabei wurde nach Angaben von Teilnehmern sogar ein Foto gezeigt, auf dem von Jansa kritisierte Richter mit einem Stift markiert waren.
EU-Kommissionsvize Timmermans reagiert empört
Der Sozialdemokrat Timmermans sagte dazu der "Süddeutschen Zeitung", er habe einfach nicht auf demselben Podium mit Jansa stehen können, nachdem dieser zwei Richter und zwei Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament "inakzeptabel angegriffen und diffamiert" habe. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Achtung der Rolle der gewählten Abgeordneten seien ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit, ohne die die EU nicht funktionieren könne.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies Jansa nach Angaben von Teilnehmern des Treffens darauf hin, dass Richter durchaus eine Biografie haben dürften und dass man mit ihnen respektvoll umgehen müsse, auch wenn sie eine andere politische Meinung hätten. Ein Sprecher der slowenischen Präsidentschaft wollte sich zunächst nicht zu der Sache äußern. Er verwies darauf, dass die Gespräche vertraulich gewesen seien.
Auch von der Leyen hatte den Vorfall in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jansa zunächst nicht erwähnt. Sie mahnte ihn allerdings, sich an rechtsstaatliche Standards zu halten. Vertrauen sei das wertvollste Kapital der EU. Dazu gehöre auch Vertrauen in ein unabhängiges Justizsystem. Ein EU-Beamter sprach von einer "überflüssigen Provokation" Jansas.
Slowenien hatte den alle sechs Monate wechselnden EU-Ratsvorsitz wenige Stunden zuvor von Portugal übernommen. Die frühere jugoslawische Teilrepublik will sich in ihrer Präsidentschaft unter anderem für schnellere Fortschritte bei EU-Beitrittsgesprächen mit den noch nicht aufgenommenen Balkanländern einsetzen.
Wegen des umstrittenen politischen Kurses von Jansa muss das Land allerdings fürchten, dass andere Themen die Präsidentschaft überschatten. Der Politiker steht unter anderem in der Kritik, weil er die Arbeit der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft behindert, indem er die Entsendung zweier slowenischer Ankläger blockiert. Zudem werden ihm Angriffe gegen die Pressefreiheit und Zivilgesellschaft sowie eine Unterstützung des umstrittenen ungarischen Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität vorgeworfen.
qu/AR (dpa, afp)