Smart City: Städte werden digitaler
11. Mai 2019Smart City ist zu einem wichtigen Schlagwort der Stadtentwicklung geworden. Auch in Deutschland sind überall Projekte entstanden. Auf der Klimastraße in Köln testet die Stadt auf einer Strecke von vier Kilometern in Kooperation mit dem Unternehmen RheinEnergie neue Technologien für eine vernetzte Stadt. "Wir nennen das hier das Living Lab. Da darf man auch mal scheitern", sagt Projektleiter Christian Remacly. Es geht unter anderem um einen effizienten Verkehr und klimafreundliche Technologien.
Viele Städte bündeln ihre Smart-City-Ideen unter einem Dach, so auch in Dortmund, einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen."Für uns ist eine Smart City eine intelligente, vernetzte Stadt, die die Lebensqualität verbessert", sagt Sebastian Winkler von der Allianz Smart City Dortmund. Die Stadt investiert viel in die Umrüstung auf E-Mobilität.
Wann aber eine Stadt wirklich smart ist, ist nicht klar definiert. "Eine Stadt ist dann eine Smart City, wenn sie sich so nennt. Ich würde immer eher von digitaler Transformation der Städte sprechen. Smart City ist ein Label, das sich sehr stark an den Kriterien von europäischen und internationalen Smart City Rankings orientiert, die laufend von Unternehmsberatungen wie Roland Berger oder McKinsey durchgeführt werden", sagt die Geografie-Professorin Sybille Bauriedl.
Langsam wachsende Strukturen
In Asien und im arabischen Raum sind in den vergangenen Jahren ganze synthetische Städte entstanden. Wo vorher Land brach lag, existieren jetzt hochmoderne Metropolen. Ein Beispiel dafür ist die südkoreanische Stadt Songdo. Innerhalb weniger Jahre ist nahe der südkoreanischen Hauptstadt eine voll vernetzte Stadt entstanden. Müll wird über Sensoren richtig getrennt, Einwohner können die Stadtverwaltung bequem von zu Hause aus über den Fernseher kontaktieren. Aber es ist ein Modell, das für Europa nicht taugt, sagt Bauriedl.
"Songdo war eine Top-Down Entscheidung. Es wurde initiiert von der südkoreanischen Regierung und der IT-Firma Cisco, die dort ihre neuesten Produkte testen will. Unsere Städte in Europa sind über Jahrhunderte gewachsen. Da kommen die digitalen Technologien dazu und ergänzen bestehende Infrastrukturen."
Die Klimastraße in Köln zeigt, was das für ein langwieriger Prozess sein kann. Projektleiter Remacly steht mit einem Tablett in der Hand inmitten der geschäftigen Neusser Straße in Köln-Ehrenfeld. Noch ist kaum sichtbar, was sich hier entwickelt: Eine unauffällige Kamera misst die Ampelschaltungen, eine andere Kamera vermerkt die Parkplatzsituation.
Ziel ist es, Daten zu generieren und diese zu vernetzen. Ein Monitor soll irgendwann einmal anzeigen, wo in der Stadt freie Parkplätze sind und die Autofahrer direkt dorthin lotsen. Die Daten der Ampel sollen irgendwann einmal an den Fahrer eines Lieferdienstes übermittelt werden, damit er seine Geschwindigkeit so anpassen kann, dass er auf einer grünen Welle durch den Stadtverkehr fährt. Das aber liegt noch in weiter Ferne. Erst einmal wird getestet. "Man kann das beste vernetzte System von A bis Z durchdenken", erklärt Remacly. "Wenn in der Praxis was nicht funktioniert, ist das ganze Vorhaben dahin."
Risiko Datensicherheit
Nicht nur in Köln wird an einer vernetzten Stadt gearbeitet. "Bis vor ein paar Jahren war es eher eine akademische Debatte. Inzwischen ist es aber auch in den Rathäusern angekommen. Das hat auch damit zu tun, dass große Dienstleister auf dem Markt unterwegs sind und ihren Service in Städten anbieten", sagt Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik.
Damit kommen immer mehr Produkte auf den Markt, die digitale Städte befördern. Aber die Entwicklung birgt auch ein Risiko: die Datensicherheit der Bürger. Auch die Kamera auf der Klimastraße in Köln erfasst Daten: Welcher Parkplatz ist wann und von wem belegt. Allerdings löscht die Kamera die Aufzeichnungen sofort wieder und übermittelt lediglich einen Code an die Zentrale. Dort sieht man nur, ob ein Parkplatz belegt ist, nicht welches Auto mit welchem Kennzeichnen darauf steht. "Mit Big Brother hat das nichts zu tun", beteuert Remacly.
Heikler wird es, wenn Städte mit großen IT-Unternehmen kooperieren. In Dortmund wird an einem Smart Home für ältere Menschen gearbeitet. Die gesammelten Informationen sollen anzeigen, ob ein Mensch gestürzt ist oder ob er den Herd angelassen hat. Sensible Daten. Kooperiert wird mit Microsoft. "Wir nehmen das Thema Datenschutz sehr ernst. Die Daten werden in einem Home Collector gesammelt und gehen nur raus, wenn das die betroffene Person oder ein Angehöriger erlaubt", sagt Projektleiterin Bettina Horster von der Vivai-Software AG.
Sybille Bauriedl sieht das kritischer: "Jede Stadtregierung muss sich die Frage stellen: Wollen wir mit diesen Konzernen langfristige Verträge für die Organisation der Stadtverwaltung und das Management der öffentlichen Versorgung abschließen? Das verschafft IT-Konzernen eine Monopolstellung, aus der eine Stadt nicht so schnell wieder raus kommt."
Die spanische Metropole Barcelona beispielsweise strebe an, ihre Systeme auf Open Source umzustellen, um so unabhängig von großen IT-Akteuren zu werden. Komplett auf eigene Hard- und Software zu setzen, hält Bettina Horster aus Duisburg aber für "nicht machbar". Und auch Jens Libbe meint: "Die Technologie einzukaufen, ist nicht von Grund auf schlecht. Die Frage ist, was dann damit passiert, wer die Hoheit behält. Das können die Städte mit Hilfe von Verträgen gestalten."
Klimaschutz ist mehr als digitale Vernetzung
Auf der Klimastraße in Köln zeigt sich ein weiterer Aspekt, der sich durch alle Smart Cities zieht: Umweltschutz. Zahlreiche Smart-City-Initiativen beinhalten Projekte, die für eine saubere Stadt sorgen sollen. Auf der Klimastraße lädt nur ein paar Hundert Meter von der Parkplatz-Kamera entfernt ein Elektroauto Strom. Eingebettet zwischen Verkehr und Geschäften fällt die Ladestation kaum auf. Aber sie wird genutzt. Energieeffizienz und digitale Stadtentwicklung gehören zusammen. "Ein Verkehr, der reguliert ist und weniger Stau produziert, reduziert auch Schadstoffe in der Luft", sagt Remacly.
Allerdings sei nicht jede Klima-Maßnahme auch sinnvoll, mein Bauriedl. Wenn beispielsweise der Verkehr besser geregelt werde, mache das noch nicht die Luft sauber. "Es ist immer noch ein Zugeständnis an den Autofahrer. Das Umdenken müsste ja aber eigentlich sein, dass der Bürger es nicht als Bestrafung empfindet, mit der Straßenbahn zu fahren."
Bürger müssen beteiligt werden
Eine intelligente Stadt kann für ihre Bürger ein Versprechen sein: Mehr Komfort, bessere Umwelt, eine digitale Vernetzung. Ob das am Ende wirklich ankommt, hängt auch von den Bürgern einer Stadt ab. Auch das zeigt die Klimastraße in Köln. Um LED-Beleuchtungen zu testen, hat man allen Geschäften der Straße angeboten, die Beleuchtung günstig auf LED umzurüsten. Nur 21 Inhaber von Geschäften haben das Angebot angenommen, so Remacly.
Das ist in einer Planstadt wie Songdo in Südkorea anders. Dort werden die technologischen Anwendungen genutzt. Allerdings wird die Stadt als elitär kritisiert, sie sei für die reiche Mittelschicht erbaut worden. Wer es sich leisten kann, zieht in die smarte Stadt. Damit das nicht in Europa passiert, gibt es Bürgerbeteiligungen und Projektförderungen.
Bei der Initiative der Stadt Köln kann jeder ein Projekt einreichen, das zu einer smarten Stadt beiträgt. "Die Digitalisierung schreitet voran. Es gibt einen Bedarf der Bevölkerung, diese digitalen Möglichkeiten auch zu nutzen", sagt Urbanistikexperte Jens Libbe. "Es fängt an interessant zu werden, wenn die Technologie die Lebensqualität der Bürger verbessern kann."