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Software-Update bei Boeing - Alles wieder gut?

17. Mai 2019

Boeing sagt, seine Flugzeuge seien nach einem Software-Update und hunderten Testflügen wieder sicher. Welche Fehler haben die Ingenieure nun genau behoben?

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Inspektion einer Boeing 737 MAX 8
Bei der Boeing 737 MAX ändert sich wenig im Cockpit aber einiges im HandbuchBild: picture-alliance/AP Photo

Am Donnerstag hatte der US-Flugzeugbauer Boeing bekanntgegeben, dass es das Software-Update an der gesamten Flotte von 737 MAX-Flugzeugen abgeschlossen hat. Die Firma habe zudem 207 Testflüge mit mehr als 360 Flugstunden absolviert.

Der Flugzeugtyp sei wieder sicher. Probleme, die zum Absturz von Lion Air Flug 610 im Oktober 2018 und von Ethiopian Airlines Flug 302 im März 2019 geführt hatten, würden in Zukunft nicht mehr auftreten.

Jetzt prüfen die Luftfahrtbehörden, ob die Maschinen bald wieder starten dürfen.

Was hatte zu den Abstürzen geführt?

Die Abstürze gingen wahrscheinlich darauf zurück, dass ein für die 737 MAX-Flugzeuge entwickeltes Steuerungssystem namens Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) fehlerhafte Daten von einem Sensor erhielt, der den Anstellwinkel des Flügels zum Luftstrom misst.

Der Anstellwinkel ist entscheidend für den Auftrieb des Flugzeugs. Ist er zu niedrig, geht das Flugzeug in einen Sinkflug über. Ist er zu hoch, kommt es im hinteren Teil des Flügels zu einem Strömungsabriss. Dann kann es passieren, dass der Pilot die Kontrolle über das Flugzeug verliert und es wie ein Stein herunterfällt.

Solch einen drohenden Strömungsabriss soll das MCAS verhindern, indem es die Nase des Flugzeuges mit Hilfe des Höhenruders nach unten drückt.

Das tat es in den beiden Unglücksfällen auch, allerdings so stark, dass die Piloten keine Chance mehr hatten, Höhe zu gewinnen. Es gelang ihnen nicht, das Flugzeug wieder in den Steigflug zu versetzen, weil das MCAs immer wieder nach unten gegensteuerte – bis die Flugzeuge am Ende abstürzten. 

Mehr dazu: Warum Strömungsabrisse bei Flugzeugen so gefährlich sind

Infografik Strömungsabriss DE

Erstes Problem: Flugzeuggeometrie

Boeing hatte das MCAS System eingeführt, um ein tiefergehendes, strukturelles Problem mit der Flugzeuggeometrie zu lösen. Die 737 MAX hatte ein größeres und schweres Triebwerk bekommen als ursprünglich gedacht. Dafür war es damit leiser und sparte Treibstoff.

Das Triebwerk musste wegen seiner Größe aber etwas weiter vorne und auch höher am Flügel befestigt werden. Das führte zu einer veränderten Aerodynamik. Damit war das Flugzeug anfällig für ein Phänomen, dass sonst vor allem von Überschall-Militärflugzeugen mit Flügeln in Pfeilform bekannt ist: Der sogenannte Pitch-Up. 

Dabei handelt es sich um eine besondere Form des Strömungsabrisses, der bei jeder Geschwindigkeit auftreten kann. Diese Gefahr sollte MCAS durch frühzeitiges Eingreifen abwenden.

Dafür sollte MCAS ursprünglich den Anstellwinkel des Flügels um 0,6 Grad nachregulieren können. In der Tat war MCAS dann aber so konfiguriert, dass es den Winkel auch um bis zu 2,5 Grad korrigieren konnte – das entspricht etwa der Hälfte dessen, was bei dem Flugzeugtyp physikalisch möglich war. Unterm Strich: MCAS hatte zu weitreichende Steuer-Befugnisse. 

Da die Geometrie des Flugzeuges nicht verändert wird, bleibt MCAS weiterhin in Betrieb und wacht darüber, dass kein Strömungsabriss auftritt. Aber für alle anderen Probleme, nämlich die, welche Ursächlich für die Abstürze waren, haben die Ingenieure Lösungen gefunden. 

So fliegen wir morgen: Der Flugzeugträger für die Stadt - Ein Flughafen für die Zukunft

USA Boeing  737 in Miami
Die riesigen Triebwerke des Fliegers sind sehr umweltfreundlich, aber hängen weit vorne und sind schwer. Bild: Getty Images

Zweites Problem: Wer entscheidet - Roboter oder Pilot?

Bei beiden Abstürzen hatte der Roboter entschieden. Offensichtlich konnten die Piloten das MCAS nicht ausschalten, um die Kontrolle wiederzugewinnen.

Zwar hätten sie die Möglichkeit gehabt, das MCAS lahmzulegen, das hätte aber auch bedeutet, dass die elektronische Steuerung des Höhenruders ebenfalls ausgefallen wäre.

Zwar gibt es als Rückfalloption noch eine manuelle Steuerung, die ist aber nicht in allen Flugsituationen stark genug um das Flugzeug stabil zu halten. Also hätte der Pilot unter Umständen wieder die elektronische Unterstützung anschalten müssen - was wiederum das MCAS reaktiviert hätte.

Im Falle der zwei Abstürze kam es aber gar nicht dazu: Die Piloten hatten die elektronische Steuerung nicht ausgeschaltet und versuchten verzweifelt, das Flugzeug wieder nach oben zu bringen. 

Die Lösung, die Boeing nun umgesetzt hat, entmachtet das MCAS zu einem großen Teil: 

Piloten können - wenn nötig - MCAS durch ein intuitives starkes Ziehen am Steuerknüppel überwinden. 

Drittes Problem: Welchem Sensor darf man trauen?

Das MCAS bekommt verschiedene Sensordaten und errechnet daraus, in welcher Fluglage sich das Flugzeug gerade befindet: Geschwindigkeit, Flughöhe und der Anstellwinkel zum Luftstrom.

Grundsätzlich sind alle Sensoren im Flugzeug doppelt ausgelegt, so dass beim Ausfall eines Sensors immer noch ein anderer funktioniert. Ursprünglich war MCAS so ausgelegt, dass der Pilot eine Fehlermeldung bekommt, wenn die zwei Anstellwinkel-Sensoren widersprüchliche Daten liefern.

Mehr dazu: Boeing verschwieg Problem mit 737 MAX

Eine Boeing 737 Max auf dem Rollfeld
Der Unglücksflieger dürfte bald wieder startbereit sein. Bild: picture-alliance/Photoshot/Chen Yichen

Allerdings funktionierte diese Warnmeldung nur, wenn auch ein zusätzlicher Anzeigemonitor im Cockpit installiert war und der gehörte nicht zur Basisversion der Flugzeuge. 

Nur etwa ein Fünftel der ausgelieferten Flugzeuge sind damit ausgestattet. Die abgestürzten Flugzeuge besaßen keinen Monitor. Deswegen konnten die Piloten gar nicht erkennen, dass die Sensoren falsche Daten lieferten. 

Boeings Lösung: Das elektronische Kontrollsystem des Flugzeugs gleicht in Zukunft immer die Daten von beiden Anstellwinkel-Sensoren ab. Sollte es zwischen beiden - bei eingefahrenen Flügelklappen - eine Differenz von mehr als 5,5 Grad geben, kann das MCAS in Zukunft nicht mehr eingreifen.

Zudem bietet Boeing nun für alle Flugzeuge kostenlos die Nachrüstung mit dem bisher kostenpflichtigen Monitorsystem an, das bei falschen Sensordaten Alarm schlägt. 

Viertes Problem: Schulung und Information

Unklar ist, ob die Unglückspiloten über den Umgang mit dem MCAS ausreichend geschult waren und überhaupt wussten, was sie in der Situation eventuell noch hätten tun können, um das Flugzeug zu retten.

Was die Situation verschärfte: Auf die Funktion des MCAS wurde in dem geltenden Handbuch für den Flugzeugtyp  nicht hingewiesen. Die Ingenieure waren offensichtlich davon ausgegangen, dass das MCAS automatisch sicher funktioniert.

Unter normalen Bedingungen merken die Piloten vom MCAS nämlich nichts. Entsprechende Hinweise hätten alltägliche Piloten nur noch mehr verwirrt, so wohl die Logik des Herstellers. 

Das wird in Zukunft nicht mehr so sein: Ab jetzt nimmt Boeing den Umgang mit MCAS in sein Trainingsprogramm für 737-Piloten auf, das Handbuch wird um ein ausführliches Kapitel ergänzt. 

Die US-Luftfahrtbehörde FAA prüft derzeit noch, ob die Bedingungen für eine Wiederzulassung des Flugbetriebes gegeben sind. Frühestens in einigen Wochen könnte es dafür grünes Licht geben.

Andere internationale Zulassungsbehörden brauchen voraussichtlich noch etwas länger bis sie den technischen Details und auch dem ergänzten Fortbildungsprogramm für Piloten zustimmen können. Erst dann dürften die Boeing 737 MAX-Maschinen auch auf anderen Kontinenten wieder fliegen. 

Mehr dazu: Die Flugzeuge von morgen