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"Türken in Deutschland sollen sich besonnen verhalten"

Arnd Riekmann19. Mai 2014

Am Samstag hält der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einer Großveranstaltung in Köln eine Rede. Das wird zu einer Spaltung führen, meint Gökay Sofuoğlu von der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

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Gökay Sofuoglu, Co-Vorsitzender der Türkische Gemeinschaft in Deutschland - Foto: Bernd Weißbrod (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Herr Sofuoğlu, wie bewerten Sie den bevorstehenden Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Köln?

Gökay Sofuoğlu: Erdoğans Reise nach Deutschland ist problematisch, weil er gerade ganz schön polarisiert, sowohl in der Türkei als auch in Deutschland. Für die rechtsradikalen Parteien ist das eine gute Gelegenheit, die Stimmung gegen die Türkei durch die Signale, die Erdoğan wahrscheinlich in Köln geben wird, noch mal aufzuheizen.

Darf Erdoğan in Köln eine Rede halten?

Er darf reden, das ist eine angemeldete Veranstaltung. Und man soll ihn auch nicht ausladen, weil das die Stimmung noch mehr aufheizen würde. Er soll aber selber entscheiden. Ich würde mir wünschen, dass er sich zurücklehnt und sagt: "Jetzt habe ich einige Scherbenhaufen hinterlassen, jetzt sollte ich mich mal beruhigen und dann nach Deutschland gehen." Aber das wird er nicht machen. Das ist nicht der Erdoğan.

Wie erleben Sie Erdoğan im Moment?

Erdoğan ist aus meiner Sicht ein Mensch, der machtmüde ist. Er kann es, glaube ich, selber gar nicht fassen, dass ihm die Anhänger trotz der vielen Fehler treu bleiben, die er in letzter Zeit macht. Ich habe das Gefühl, dass er die Geduldsgrenze seiner treuesten Anhänger testet.

Welche Art Rede wird Erdoğan Ihrer Meinung nach in Köln halten?

Er wird bestimmt nicht der deutschen Nationalmannschaft Glück für die Weltmeisterschaft wünschen. Es wird eine Wahlkampfrede sein. Er wird polarisieren. Er wird versuchen, sein durch die Pannen bei der Aufklärung des Grubenunglücks in Soma angekratztes Image zu polieren. Er wird gegen Europa polarisieren, wahrscheinlich auch gegen Deutschland und gegen Bundespräsident Gauck, der ja neulich in der Türkei war und sich viel Kritik von Erdoğan anhören musste.

Welche Auswirkungen hätte solch eine Rede für die hier lebenden Türken?

So eine Rede schafft viele Schwierigkeiten, weil wir uns von unseren eigentlichen Themen abwenden und uns plötzlich mit den politischen Auseinandersetzungen in der Türkei beschäftigen müssen. Allein ich werde jetzt, seitdem ich vor einer Woche zum Co-Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland gewählt worden bin, nur noch zu Erdoğan und der Türkei befragt.

Kann die Rede Erdoğans zu einer Spaltung der hier lebenden Türken in zwei Gruppen führen?

Die Rede nicht, aber die Diskussion und die Bewertung dieser Rede werden zur Spaltung führen. Das hat man auch in der Vergangenheit gesehen: als er sich in einer Rede in die deutsche Politik eingemischt hat, oder, was er in der Türkei in letzter Zeit öfter macht, dass er andere Gruppierungen stigmatisiert. Zum Beispiel die Aleviten, die zu der Kundgebung und dem Gegenprotest in Köln aufgerufen haben.

Was raten Sie den türkischen Mitbürgern in Deutschland?

Ich rate Ihnen, dass Sie einfach sehr besonnen in Köln sind, egal wohin sie gehen, ob sie sich außerhalb oder innerhalb vom Stadion befinden, dass sie sich besonnen verhalten und dass es zu keiner Eskalation kommt. Dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner ihr demokratisches Recht nutzen und dann nach Hause gehen.

Inwieweit wird die Rede Erdoğans die Arbeit der Türkischen Gemeinde in Deuschland beeinflussen?

Sie wird auf jeden Fall Einfluss haben. Wir werden daran gemessen, wie wir zu Erdoğan stehen und wie wir zu den Gegnern stehen. Manche finden uns nicht hart genug gegen Erdoğan, manche finden uns zu hart. Das ist auch die Diskussion unter unseren Mitgliedern. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit den TGD-Mitgliedern einen Konsens finden, dass wir zwar mal gern darüber reden, was in der Türkei passiert, aber dass unsere eigentlichen Arbeitsinhalte Themen sind, die uns in Deutschland betreffen.

Für uns stehen in erster Linie die Interessen der hier lebenden türkischstämmigen Menschen im Vordergrund und nicht die parteipolitischen Interessen.

Gökay Sofuoğlu ist seit dem 12. Mai 2014 Co-Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

Das Gespräch führte Anja Fähnle.