Deal zum Nulltarif?
26. November 2013Pleiten, Fabriksterben, tausendfacher Jobverlust - die Solarindustrie steckt in einer tiefen Krise. Frank Asbeck, einst an der Börse als "Sonnenkönig" gefeierter Chef der Bonner Solarworld AG, ficht das nicht an. Während andere Kapazitäten dicht machen, übernimmt er Teile der Solarfertigung des Bosch-Konzerns und stockt seine Belegschaft von derzeit 2600 um 800 Beschäftigte auf. Branchenexperten sehen in dem Deal eine Herkulesaufgabe - mit ungewissem Ausgang.
Wird aus zwei Kranken ein Gesunder?
Für den Stuttgarter Weltkonzern wurde der Ausflug in die Produktion von Zellen und Modulen zum teuren Abenteurer. Bosch-Chef Volkmar Denner lässt am Dienstag (26.11.2013) bei der Präsentation des Vertrags mit Asbeck in Arnstadt keinen Zweifel daran, dass sich der Technik-Konzern lieber heute als morgen von seiner Sorgensparte mit ihrem Milliardenverlust trennt. "Es ist der letzte große Versuch, ein Herzstück der deutschen Photovoltaikproduktion zu retten", sagt Wolfgang Hummel, Direktor des Zentrums für Solarmarktforschung in Berlin. "Das ist lobenswert. Aber die Leistungsfähigkeit von Solarworld ist eingeschränkt - und es zählt heute im Solarmarkt nicht mehr nur die schiere Größe." Hummel ist, ähnlich wie die Arbeitnehmervertreter der Bosch Solar Energy AG, skeptisch: "Aus zwei Kranken wird noch kein Gesunder."
250 potenzielle Investoren haben die Bosch-Leute kontaktiert, die nach der Ausstiegsentscheidung im März nicht als Jobvernichter in Thüringen dastehen wollen. Die Hälfte davon kam aus der Solarbranche, berichtet Bosch-Solar-Aufsichtsratschef Stefan Hartung. Übrig blieben die Bonner und laut Betriebsrat das indisch-arabische Unternehmen Microsol. Nun soll es die finanziell angeschlagene Solarworld von Asbeck richten.
Deal zum Nulltarif?
Ob der Solarmanager die modernen Fabrikanlagen - das riesige Werk in Arnstadt ging erst 2011 richtig in Betrieb - quasi zum Nulltarif bekommt, darauf deuten die Aussagen vom Dienstag hin. Asbeck spricht immerhin von einer "honorigen Lösung mit Bosch" und dass der Deal "keine finanzielle Auswirkung" auf Solarworld hat. Markforscher Hummel ist davon überzeugt, dass der letzte große deutsche Solarhersteller, der trotz der Verluste 2013 auch international mitmischen könne, kaum mehr als einen symbolischen Preis für die Bosch-Fertigung auf den Tisch legen musste. "Wir gehen davon aus, dass Bosch sogar zusätzliche Leistungen als Teil des Kaufvertrages bietet."
Trotz der eigenen Probleme - Solarworld steckt selbst im Sanierungskampf - präsentierte sich Asbeck in Arnstadt mit breiter Brust. Er spricht von Synergien mit den eigenen Produktionsstandorten im sächsischen Freiberg und in Hillsboro in den USA und der guten Forschungsabteilung von Bosch. Zudem sei Solarworld auf dem Weg zum Riesen: "Tatsächlich verfügen Solarworld und Bosch Solar Energy zusammen über mehr als ein Gigawatt Produktionskapazität." Es entstehe der "größte kristalline Solarhersteller außerhalb Chinas", schwärmt er. Anerkennung erhält er von Thüringens scheidendem Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD). Er freue sich über jeden deutschen Unternehmer, der an die Zukunft der Solarbranche glaube.
Fachleute geben vor allem den Unternehmen Chancen, die sich künftig in Wachstumsmärkten wie Japan oder den USA behaupten. Nach dem Aderlass - allein in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo viele Fabriken stehen, gingen seit 2011 etwa die Hälfte von 20 000 Solar-Arbeitsplätze verloren - soll es 2014 etwas besser werden. "Wir sind vorsichtig optimistisch", sagt Hummel. Hubert Aulich, Chef der Branchenvereinigung Solarvalley Mitteldeutschland, hofft auf eine Erholung des Weltmarkts bis Ende nächsten Jahres.