Somalia erbost über Abkommen Äthiopiens mit Somaliland
2. Januar 2024Mit scharfer Ablehnung hat die Regierung in Mogadischu auf eine überraschende Vereinbarung der abtrünnigen Region Somaliland mit Äthiopien reagiert. Sie bezeichnete das überraschende Abkommen als "null und nichtig". In einer Rede an die Nation versicherte der somalische Regierungschef Hamza Abid Barre, Somalia werde sein Territorium mit "allen rechtmäßigen Mitteln" verteidigen. Seine Regierung werde es "nicht zulassen, dass auch nur ein Zentimeter Land, Meer oder Himmel verletzt" werde. Das Abkommen sei ein "klarer Verstoß gegen die Souveränität und Einheit", erklärte die Regierung in Mogadischu.
Das somalische Kabinett kündigte zudem an, internationale Gremien wie die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Arabische Liga anzurufen, damit sie sich an die Seite Somalias stellen. Aus Protest rief Somalia nach eigenen Angaben seinen Botschafter aus dem ostafrikanischen Binnenland Äthiopien zu Konsultationen zurück. Somaliland hatte sich 1991 einseitig für unabhängig erklärt, gilt völkerrechtlich aber bis heute als Teil Somalias. Somaliland hat etwa 3,5 Millionen Einwohner. Die äthiopische Regierung in Addis Abeba reagierte zunächst nicht auf die Äußerungen.
Offizielle Anerkennung Somalilands?
Der äthiopische Regierungschef Abiy Ahmed und der Präsident der selbsternannten Republik Somaliland, Muse Bihi Abdi, hatten am Montag eine Absichtserklärung unterzeichnet, die Äthiopien die Nutzung des Hafens von Berbera sowie einer Militärbasis an der Südküste des Golfs von Aden ermöglicht. Abdi erklärte, dass Äthiopien im Gegenzug Somaliland als erstes Land offiziell anerkennen werde. Die im Nordwesten Somalias gelegene Region Somaliland besitzt eine lange Küstenlinie am Golf von Aden.
Das Abkommen ebne den Weg für die "Verwirklichung der Bestrebungen Äthiopiens, sich den Zugang zum Meer zu sichern und seinen Zugang zu den Seehäfen zu diversifizieren", teilte Abiys Büro auf dem Portal X mit. Es stärke zudem die "sicherheitspolitische, wirtschaftliche und politische Partnerschaft". Abiys nationaler Sicherheitsberater Redwan Hussein ergänzte, das Abkommen enthalte auch eine Zugang Äthiopiens zu einem gepachteten Militärstützpunkt am Roten Meer.
Somalia und Somaliland bisher auf Entspannungskurs
Die Vereinbarung kam für Mogadischu völlig überraschend. Nach Jahren politischer Spannungen hatte sich die somalische Regierung erst in der vergangenen Woche mit Somaliland auf eine Wiederaufnahme von Verhandlungen zur Lösung aller offenen Fragen geeinigt. Unter Vermittlung des Präsidenten von Dschibuti, Ismail Omar Guelleh, hatten sich Somalia und Somaliland am Freitag erstmals seit 2020 zu Gesprächen getroffen. Der Schritt war international begrüßt worden.
Der Hafen von Berbera ist für den afrikanischen Kontinent ein wichtiger Zugang zum Roten Meer und dem weiter nördlich gelegenen Suezkanal, der den Handel bis nach Europa ermöglicht. Er wird vor allem für den Handel mit Saudi-Arabien und anderen Staaten in der Region genutzt. Bislang hatte der fehlende Zugang zum Meer Äthiopiens Wirtschaft entscheidend behindert.
Der äthiopische Regierungschef Abiy hatte wiederholt angekündigt, dass sein Land sein Recht auf den Zugang zum Roten Meer geltend machen werde, was bei den Nachbarländern Besorgnis ausgelöst hatte. Infolge der Unabhängigkeit Eritreas im Jahr 1993 nach einem drei Jahrzehnte währenden Krieg verlor Äthiopien seinen Zugang zum Meer. Seitdem wickelt Äthiopien den Großteil seines Handels über das östliche Nachbarland Dschibuti ab.
Auch Terrormiliz weist Vereinbarung zurück
Selbst die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab in Somalia lehnte die Erklärung von Äthiopien und Somaliland ab. Diese unterstreiche die Pläne Äthiopiens, Somalia zu erobern, sagte ein Sprecher der Miliz. "Wir sind bereit, unser Land und unser Meer mit unserem Blut zu verteidigen." In einer Rede im Parlament betonte der somalische Präsident Hassan Sheik Mohamud, die Erklärung von Somaliland und Äthiopien könne Al-Shabaab neue Anhänger verschaffen und weitere Gewalt entfachen, nachdem die somalischen Sicherheitskräfte der Miliz erhebliche Verluste zugefügt hätten.
kle/sti (afp, dpa)