Schattenboxen in London
24. Februar 2012Es hätte die Stunde von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sein können: Am Vorabend des Londoner Treffens hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der lange überfälligen Resolution 2036 eine Ausweitung des Mandates der AMISOM-Mission beschlossen. Nun stand der Topdiplomat vor der versammelten Weltpresse - und wurde nach den Umweltproblemen Somalias gefragt. Die aber sind nun wirklich nicht der größte Kopfschmerz des implodierenden Staates am Horn von Afrika.
Anschaulicher hätte das Kräfteverhältnis bei der Lösung des seit 22 Jahren andauernden Konfliktes in Somalia nicht sein können. Das chronisch schwache Politische Büro für Somalia (UNPOS) um den Sondergesandten von Ban Ki Moon kann dem Somalia-Prozess ebenso wenig Leben einhauchen wie die Internationale Kontaktgruppe für Somalia (ICG), deren Restrukturierung bei der Konferenz beschlossen wurde. Die Regionalstaatengruppe IGAD ist derweil fest in der Hand der Hegemonialmacht Äthiopien, die mit Deckung des Verbündeten USA eigene Sicherheitsinteressen in Somalia verfolgt. So waren es bezeichnenderweise äthiopische, und nicht Truppen der AMISOM, die pünktlich zum Konferenzbeginn die wichtige Stadt Baidoa aus der Hand der Shabaab-Milizen befreiten. Die muslimischen Länder Katar, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate wiederum saßen bei der Konferenz nur am Katzentisch, obwohl gerade das Emirat Katar wie im Falle Libyens, eine wichtige Rolle spielen könnte.
Sorgen des Gastgebers
Folgerichtig war es dann auch Gastgeber David Cameron, der die Gipfel-Agenda dominierte. Denn die Briten treibt die Angst vor dem sogenannten "home-grown"-Terror um, also Anschläge radikaler Diaspora-Somalis, etwa bei den Olympischen Spielen im Juli. Immer wieder waren in der jüngsten Zeit bei getöteten Terrorverdächtigen in Somalia britische Ausweispapiere gefunden worden. Großbritannien beherbergt die größte somalische Exilgemeinde weltweit.
Vor der Konferenz wurden Pläne bekannt, nach denen die britische Regierung Luftangriffe gegen Ausbildungslager islamistischer Terroristen in Somalia plane. Auf Nachfrage von Journalisten relativierte der britische Premier diese Pläne, die auch US-Außenministerin Clinton - zumindest offiziell - skeptisch beurteilte. Der somalische Ministerpräsident Abdiweli Mohammed Ali begrüßte dagegen "zielgerichtete" Luftschläge, bei denen es allerdings nicht zu zivilen Opfern kommen dürfe. Berichte, dass mindestens ein ausländischer Kämpfer der Al-Shabaab-Miliz bei einem US-Drohnenangriff auf Stellungen der Militanten am Dienstag (21.02.2012) ums Leben gekommen sein soll, konnten von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden.
So verabschiedeten die Konferenzteilnehmer eine Reihe rein kosmetischer Maßnahmen. So soll eine Taskforce den Fluss der bei Schiffsentführungen erpressten Lösegelder eindämmen, die zur Terror-Finanzierung verwendet werden könnten. Ein Anti-Piraten-Zentrum auf den Seychellen wird in Zukunft geheimdienstliche Daten auswerten und bündeln. Ein Stabilitätsfond, von den Skandinaviern mitfinanziert, soll in den von der Al-Shabaab befreiten Gebieten nachhaltige Aufbauhilfe leisten.
Was kommt nach der TFG?
Der größte greifbare Erfolg der Konferenz ist aber die deutliche Absage an eine weitere Mandatsverlängerung der ineffektiven und korrupten Übergangsregierung (TFG) und ihrer Institutionen über den 23. August 2012 hinaus. Die Frage freilich, wer zukünftig als völkerrechtlich anerkannter und verantwortlicher Partner in Mogadischu zur Verfügung steht, wollten oder konnten die Teilnehmer nicht klären. Man werde nicht mit "Terroristen" verhandeln, betonte Cameron dazu in Anspielung auf Verhandlungen mit Al-Shabaab. Wer sich jedoch von radikalen Positionen lossage, könne durchaus ein Partner im somalischen Friedensprozess werden, so Cameron weiter.
Konferenztourismus
Im Juni wird die Türkei, die sich seit geraumer Zeit politisch und wirtschaftlich in Somalia engagiert, eine Nachfolge-Konferenz ausrichten, um die in London beschlossenen Maßnahmen zu überprüfen. Gehen die Verhandlungspartner ähnlich unvorbereitet in die Runde wie in London, dürfte auch das zweite Somalia-Treffen am Bosporus scheitern und die Gefahr eines gefährlichen Machtvakuums Ende August wachsen.
Hinter verschlossenen Türen wurden die Vertreter der somalischen Übergangsregierung wohl in deutlichen Worten gemahnt, der grassierenden Korruption endlich Einhalt zu gebieten und Hilfsgelder transparent zu verwalten. Die deutsche Delegation um Außenminister Guido Westerwelle, die mit einem neuen "Länderkonzept Somalia" nach London gereist war, mahnte, die Somalis müssten nun "endlich die notwendigen Reformen angehen". Dazu zähle die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die Verkleinerung des somalischen Parlaments und eine bessere Einbindung der Regionen. Deutschland kündigte zugleich sechs Millionen Euro für die Notversorgung von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen am Horn von Afrika an.
Und die angesprochenen Umweltprobleme in Somalia? Die vergaß der Generalsekretär Ban Ki Moon in seiner Replik, und Somalias Premier sagte, darum müsse sich die internationale Gemeinschaft kümmern. Derweil bezeichnete die Al-Shabaab das Londoner Treffen als "Teil eines Kreuzzuges gegen die Muslime Somalias." Es gab wirklich nicht viel neues in London.
Autor: Ludger Schadomsky
Redaktion: Stefanie Duckstein