Somalische Flüchtlinge unter Generalverdacht
16. Juli 2010Unterhalb der großen Moschee in Kampalas Altstadt liegt Klein-Somalia – Kisenyi, ein geschäftiges Armenviertel, in dem die meisten der rund 10.000 somalischen Flüchtlinge leben. Sie haben in Uganda, dank der liberalsten Flüchtlingspolitik Afrikas, eine neue Heimat gefunden – weit weg vom Krieg in Somalia.
In den vielen kleinen Restaurants in Kisenyi kann man somalisches Gebäck naschen, typisch süßen somalischen Kaffee trinken, Spaghetti nach somalischem Rezept essen. In einem dieser Straßenkaffees sitzt Bashi Abdi Moalin. Der somalische Geschäftsmann trägt einen eleganten Anzug. Vor vier Monaten war er aus seinem Exil im sicheren Kanada nach Uganda gekommen, um ein Bekleidungsgeschäft zu eröffnen. Er fühlte sich bislang als Fremder unter Ugandern sehr wohl, sagt er.
Moalin schwärmt von der Gastfreundlichkeit der Ugander. Uganda sei der beste Ort für Fremde in Afrika. "Bislang zumindest, bevor diese verrückten Dinge hier passierten", wendet er ein. "In Uganda wird kein Unterschied gemacht, ob du aus England, Amerika oder Ost-Afrika kommst", sagt er. Doch was jetzt geschehe, sei eine Tragödie.
Rasterfahndnung gegen Somalis?
Maolin hat Angst vor einer einsetzenden Rasterfahnung gegen Somalis. In den Tagen nach den Anschlägen haben ugandische Polizisten mindestens sechs Ausländer in Kampala verhaftet. Ein Eritreaner wurde von einem Mob ugandischer Männer angegriffen, weil er Somalis ähnlich sieht. Viele Somalis fühlen sich dieser Tage skeptisch beäugt. Schon im vergangenen Jahr hat die ugandische Regierung verlangt, jeder Somali müsse sich extra registrieren lassen - als die somalischen Extremisten der Al Shabaab mit Anschlägen in Uganda drohten. Jetzt wurden diese Drohungen Wirklichkeit: Während des WM-Endspiels explodierten in Kampala drei Bomben, mitten in der Menschenmenge vor den großen Leinwänden. Al Shabaab Sprecher bekannte sich zu den Attentaten.
Moalin ist entsetzt über die Anschläge. Zwei der Bomben explodierten gegenüber von seinem Geschäft. Seit Tagen traut er sich nun nicht mehr in seinen Laden. Er fürchtet, unangenehme Fragen beantworten zu müssen, wenn er als Somali sein Auto neben den Polizisten parke, die den Tatort bewachen. Es herrsche Panik unter den somalischen Flüchtlingen in Kampala, sagt Moalin. "Die Ugander könnten nun auf uns losgehen, aus Rache. Viele Leute machen keinen Unterschied zwischen uns Flüchtlingen und den Terroristen", sagt er. Er hofft, dass ugandische und somalische Repräsentanten den Leuten klar machen, dass "wir Flüchtlinge aus Somalia selbst Opfer der Al Shabaab sind. Wir unterstützen keine Terroristen, wir verurteilen sie genau so."
Ugandische Friedenstruppen in Somalia
Dies ist nun Aufgabe des somalischen Botschafters in Uganda. Die Botschaft ist eine heruntergekommene Villa. Wasser und Strom sind seit Jahren abgestellt, das Treppenhaus eingestürzt. Die Villa zu betreten, sei lebensgefährlich, warnt Botschafter Sayid Ahmed Sheikh Dahir. Deswegen sitzt er lieber an seinem Schreibtisch im großen Garten unter einem Mangobaum.
Er betrachtet entsetzt die blutigen Bilder von den Bombenanschlägen in der ugandischen Tageszeitung, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Dahir kennt solche Bilder aus seiner Heimat. Es tut ihm leid, dass der somalische Konflikt nun Uganda trifft. Denn Uganda stellt gemeinsam mit Burundi die Friedenstruppen der Afrikanischen Union in Somalias Hauptstadt Mogadishu und helfe seiner Regierung.
Gefahr für ganz Ostafrika
Al Shabaab drohe nun Uganda, weil die ugandische Regierung versprochen habe, Frieden und Stabilität in Somalia wieder herzustellen und das somalische Volk vor den Extremisten zu bewahren, sagt er. Dies sei der erste Anschlag von Al Shabaab außerhalb Somalias. Al Shabaab hat sich selbst zu den Anschlägen bekannt. Botschafter Dahir fürchtet: "Sie wollen zeigen, dass sie in der Lage sind, auch die Nachbarländer anzugreifen." Er warnt vor einem Übergreifen des somalischen Konflikts auf die übrigen Länder Ostafrikas. "Die Gefahr wird solange andauern, bis der somalische Konflikt gelöst ist", sagt er.
Botschafter Dahir fordert von der Europäischen Union und den USA, dass sie sich in Somalia direkt engagieren und seinem Land zu Frieden verhelfen, sonst, meint er, könnten die radikal islamischen Extremisten, die Verbindungen zum Terror-Netzwerk Al Kaida haben, eine Bedrohung für ganz Ostafrika darstellen. Dies hat auch der Al Shabaab-Sprecher bekräftigt. In seiner jüngsten Drohung sagte er, diese Anschläge seien erst der Anfang.
Autorin: Simone Schlindwein
Redaktion: Klaudia Pape