Son of Saul: Kino und Konzentrationslager
Filme über den Holocaust sind umstritten. Nicht alle Regisseure haben sich dem Thema in der Vergangenheit mit der gebotenen Sensibilität gewidmet. Ein Rückblick anläßlich des Kinostarts von "Son of Saul".
Oscargekrönt - aber nicht unumstritten: Son of Saul
"Son of Saul", beim Festival in Cannes preisgekrönt und vor kurzem auch mit einem Oscar ausgezeichnet, hat eine alte Debatte wiederangestoßen. Wie ist mit dem Holocaust und der Darstellung vom Grauen im Konzentrationslager im Kino umzugehen? "Son of Saul" wählt einen ganz eigenen Weg, der dokumentarisch und authentisch anmutet. Inszeniert ist das Geschehen im KZ aber natürlich trotzdem.
Schindlers Liste
Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste" hatte 1993 die Diskussion neu entfacht. Scharfe Kritik an der Inszenierung des KZ-Alltags gab es vom französischen Regisseur Claude Lanzmann ("Shoa"). Er warf Spielberg Holocaust-Kitsch vor. Auf der anderen Seite wurden viele, vor allem junge Zuschauer, zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert - weil das Thema im populären Medium Kino behandelt wurde.
Shoa
Acht Jahre vor Spielberg hatte Claude Lanzmann mit dem zweiteiligen Dokumentarfilm "Shoa" einen ganz anderen Zugang zum Thema gewählt. Lanzmann verzichtete auf die konkrete Zurschaustellung von Leichen im Konzentrationslager und jegliche Inszenierung. Er beschränkte sich auf Interviews mit Zeitzeugen und Kamerafahrten an den Orten der Verbrechen.
Nacht und Nebel
Als einer der ersten Regisseure konfrontierte der Franzose Alain Resnais 1955 die Zuschauer mit dem Horror der von den Nationalsozialisten errichteten Lager. Seine nur halbstündige Dokumentation löste große Betroffenheit beim Publikum aus. Erst vor kurzem erschien "Nacht und Nebel" in Deutschland auf DVD (Anbieter: absolut medien).
Das radikal Böse
Für manche Zuschauer bietet der Dokumentarfilm den einzig legitimen Zugang zum Thema. Regisseur Stefan Ruzowitzky wählte 2013 eine dokumentarische Form, die aber auch mit nachgestellten Szenen arbeitete. Ruzowitzky Fragestellung lautete: Wie ist das "radikal Böse" entstanden, wie ist damit im Kino umzugehen?
Nackt unter Wölfen
Einer der ersten ostdeutschen Filme, die sich des Themas annahmen, war 1963 "Nackt unter Wölfen". Regisseur Frank Beyer (im Vordergrund bei den Dreharbeiten) inszenierte nach einem Roman von Bruno Apitz (hier rechts am Set) eine Geschichte, die den antifaschistischen Widerstand bekräftigen sollte - ganz im Sinne der DDR-Doktrin.
Aus einem deutschen Leben
Auch der bundesdeutsche Film hatte sich nach dem Krieg hin und wieder im Kino mit dem Holocaust und den Konzentrationslagern beschäftigt. 1977 widmete sich Regisseur Theodor Kotulla in dem bemerkenswerten Film "Aus einem deutschen Leben" der Laufbahn von Rudolf Höß, SS-Offizier und Kommandant des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Götz George schlüpfte damals in die Titelrolle.
Der Nachtportier
1974 schockte die italienische Regisseurin Liliana Cavani mit "Der Nachtportier" die Filmwelt. Die sadomasochistische Beziehung einer KZ-Überlebenden mit einem ehemaligen SS-Offizier, die nach Jahren erneut aufflammt, verstörte viele Zuschauer. Die Kombination Konzentrationslager & Sex irritierte aber nicht nur das Publikum, sondern auch die Behörden. "Der Nachtportier" war zeitweise verboten.
Jakob der Lügner
Rund ein Jahrzehnt nach seinem Erfolg "Nackt unter Wölfen" wandte sich in der DDR Regisseur Frank Beyer noch einmal dem Schauplatz Konzentrationslager zu. Sein Film "Jakob der Lügner" nach dem Roman von Jurek Becker begeisterte das Publikum. Er gewann einen Silbernen Bären bei der Berlinale und wurde für einen Oscar nominiert - ein bemerkenswerter Erfolg für einen DDR-Film.
Holocaust
Größeres Aufsehen als alle Kinofilme, die sich in jenen Jahren mit dem Thema auseinandersetzen, löste 1978 die Fernsehserie "Holocaust" aus. Der in den USA gedrehte TV-Mehrteiler wurde auch in der Bundesrepublik ausgestrahlt und führte zu einer gesellschaftlichen Debatte über die Verbrechen der Nazis - auch, weil "Holocaust" mit vielen Szenen arbeitete, die in den Konzentrationslagern spielten.
Sophies Entscheidung
Nach ihrer Mitwirkung in "Holocaust" spielte die US-Schauspielerin Meryl Streep vier Jahre später auch in dem Spielfilm "Sophies Entscheidung" mit. Auch hier geht es um das Schicksal von Juden während des Holocaust. Die Rahmenhandlung spielt in den USA der Gegenwart, Rückblenden im Konzentrationslager Auschwitz. Der vieldiskutierte Film brachte Meryl Streep einen Oscar ein.
Hitlerjunge Salomon
Einen "Golden Globe" gewann 1992 die deutsch-polnisch-französische Co-Produktion "Hitlerjunge Salomon". Regisseurin Agnieszka Holland verzichtete auf die Inszenierung von Szenen im Konzentrationslager, doch Teile der deutschen Kritik warfen auch diesem Film vor, er gehe zu "unterhaltsam" mit dem Stoff um. In der englischsprachigen Welt bekam "Hitlerjunge Salomon" hingegen gute Kritiken.
Das Leben ist schön
Den seltenen Versuch, die Schrecken des Holocaust und das Überleben im Konzentrationslager in eine komödiantische Form zu gießen, unternahm 1997 der Italiener Roberto Benigni. Die "traurige Komödie" war mit viel Herz inszeniert, kam beim Publikum gut an und wurde mit Preisen überschüttet.
Der Pianist
Einen sehr bewegenden und persönlichen Film legte 2002 Roman Polanski vor. Der Regisseur, der selbst viele Familienangehörige in den Konzentrationslagern verloren hat, verfilmte in "Der Pianist" die Autobiografie des polnischen Pianisten und Komponisten Władysław Szpilman. Gedreht wurde der Film zu großen Teilen in Deutschland. "Der Pianist" gewann die Goldene Palme in Cannes und drei Oscars.
Fateless
Ein negatives Beispiel für einen Film über das Geschehen im KZ aus der jüngeren Kinogeschichte ist "Fateless - Roman eines Schicksallosen" (2005). Der vom ungarischen Regisseur Lajos Koltai nach dem Roman von Imre Kertész inszenierte Film verstörte mit melodramatischen und fast schon romantischen Bildern. Koltais Landsmann László Nemes hat das mit "Son of Saul" zehn Jahre später besser gemacht.