Sonne, Weißwurst und viele ungelöste Probleme
7. Juni 2015War es Zufall? Die ersten Wolken über Schloss Elmau zogen genau in dem Moment auf, als sich die Staats- und Regierungschefs zu ihrer ersten Arbeitssitzung zurückzogen. Über die Weltwirtschaft, über Wachstum und Werte wollten die G7 reden und anschließend über den weltweiten Handel und die Idee, endlich Grundsätze im Arbeitsschutz und verbindliche Sozialstandards für global agierende Unternehmen zu vereinbaren. Am Abend schließlich sollte es um die Außenpolitik gehen, ein Thema, für das mehrere Stunden bei einem Abendessen angesetzt waren. Aus gutem Grund.
Zu verdanken ist das in erster Linie dem großen Abwesenden. Der russische Präsident Wladimir Putin ist nicht eingeladen, nachdem die G7 ihn wegen seiner Rolle im Ukraine-Konflikt vor rund einem Jahr aus dem illustren Kreis der damals noch G8 ausgeschlossen hatten. Die Probleme mit Putin sind trotzdem geblieben und sie belasten die Gemeinschaft immer stärker. Das wurde noch vor dem offiziellen Beginn des Gipfels deutlich, als sich sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel, als auch US-Präsident Barack Obama, der britische Premier David Cameron und EU-Ratspräsident Donald Tusk scharf zum Konflikt mit Russland äußerten.
Kein Ende der Sanktionen
Tusk sicherte zu, dass die europäischen Sanktionen gegen Moskau bleiben. Das Wiederaufflammen der Gewalt in der Ostukraine besorgt ihn sehr. "Wenn jemand eine Diskussion über Änderungen am Sanktionsregime beginnen will, dann wäre das eine Diskussion über eine Verschärfung", so Tusk in einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der auch in Elmau dabei ist.
Merkel und Obama sehen das ähnlich. Die Sanktionen gegen Russland würden so lange beibehalten, bis Moskau das Minsker Abkommen erfülle und die Souveränität der Ukraine respektiere, teilte das Weiße Haus mit, nachdem sich die Bundeskanzlerin und ihr Gast aus den USA kurz vor dem offiziellen Gipfelbeginn eine knappe Stunde lang unterhalten hatten. Am Abend bekräftigte Merkel ihre Ansichten zusätzlich in einem Fernsehinterview.
NSA und BND bleiben außen vor
Merkel hatte Obama als ersten ihrer Gäste am Sonntagmorgen in der kleinen Gemeinde Krün zu Füßen des Elmauer Schlosshotels empfangen. Der US-Präsident war bereits um 6.30 Uhr am Flughafen München gelandet und von dort mit einem Hubschrauber nach Elmau gebracht worden. Vor landestypischer Dorfkulisse stand in Krün trotz der Verstimmung über die Geheimdienstaffäre ein Bekenntnis zur deutsch-amerikanischen Freundschaft auf dem Programm.
"Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, die wir heute haben, ist Amerika, sind die Vereinigten Staaten von Amerika unser Freund, unser Partner", sagte Merkel bei der Begrüßung Obamas. Der beteuerte, die USA seien der Freund und Partner, mit dem Deutschland trotz mancher Meinungsverschiedenheiten gemeinsame Werte teile. "Heute morgen feiern wir eines der stärksten Bündnisse, das die Welt je gekannt hat."
Brotzeit und Blasmusik
Eine gute halbe Stunde lang saßen Merkel, ihr Mann Joachim Sauer und Barack Obama an langen Holztischen beim Frühstück und das inmitten der Krüner Bürger, die für diesen Anlass ihre beste Tracht angezogen hatten. Ganz traditionell gab es Laugenbrezeln und Weißwürste, dazu ein großes Glas Hefeweizen. Mit Blick auf das üppige Tagespensum war das Bier selbstverständlich alkoholfrei. Großen Applaus erntete der Gast aus den USA für die deutschen Worte "Grüß Gott" und "Lederhose". Die habe er leider vergessen, so Obama, er werde aber versuchen, sich noch eine zu kaufen.
Ob dafür Zeit bleiben wird? Die sieben Staats- und Regierungschefs der großen westlichen Industrienationen haben auch jenseits der Probleme mit Russland viel zu besprechen. Am Montag soll es um die Themen Klima und Energie, um den internationalen Terrorismus, um Entwicklungspolitik, um die Rechte von Frauen und um die Gesundheit gehen. Dann werden auch die Präsidenten und Ministerpräsidenten von sechs afrikanischen Ländern und dem Irak in zwei Arbeitssitzungen mit am Tisch sitzen.
Was wird beschlossen?
Ergebnisse wollen die G7 in einem Abschlusskommuniqué festhalten, über dessen Inhalt auf der Ebene der Delegationen seit Wochen verhandelt wird. Hilfsorganisationen wie World Vision oder Oxfam verbinden mit der Erklärung große Hoffnungen gerade im Bereich Klimaschutz und Entwicklungspolitik. "In diesem Jahr laufen die Millenniums-Entwicklungsziele aus. Die G7-Führer haben jetzt die einmalige historische Chance, Maßnahmen zu ergreifen und erste Beschlüsse für die Ziele zu fassen, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen", so Christoph Waffenschmidt, der Vorsitzende von World Vision Deutschland.
Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland erwartet zudem "starke Maßnahmen der G7 bei der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung multinationaler Unternehmen". Um die Armut zu überwinden und soziale Ungleichheit zu bekämpfen, sei eine globale Steuerreform nötig, die es armen Ländern erlaube, die Steuern einzutreiben, die ihnen zustehen.
Dobrindt und die Demonstranten
Die Gegner der G7 haben hingegen jeden Glauben daran verloren, dass auf Gipfeln wie in Elmau mehr produziert wird, als "heiße Luft". Vor dem Internationalen Pressezentrum in Garmisch-Partenkirchen ließen sie symbolisch große Luftballons mit den Konterfeis der Politiker steigen. Auch waren am Sonntag wieder viele Demonstranten unterwegs, die sich allerdings einem überwältigenden Polizeiaufgebot gegenüber sehen mussten. Einzelnen gelang es, die einzige Zufahrt zum Schloss Elmau mit einer Sitzblockade zu sperren. Die Gipfelregie reagierte prompt und ließ die Journalisten, die per Shuttle-Bus nach Elmau gebracht werden sollten, mit Hubschraubern in die Berge fliegen.
Eine ganze Reihe Demonstranten hatten Garmisch bereits am Samstagabend verlassen, nachdem über der Region ein stundenlanges Unwetter mit Starkregen niedergegangen war. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Bayer und CSU-Politiker, der an diesem Sonntag seinen 45. Geburtstag feierte und in Krün dafür von US-Präsident Obama beglückwünscht wurde, freute das – und zwar nicht nur heimlich. "Das muss man erst hinkriegen: Gestern die Demonstranten wegschwemmen und heute so ein Wetter", sagte er.