Spanien: Kampf um das Ebro-Delta
Im Ebro-Delta will die spanische Regierung große Landflächen kaufen - als natürlichen Puffer für den zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels. Die Pläne stoßen bei der örtlichen Bevölkerung auf heftigen Widerstand.
Schutzlose Felder
Angesichts des steigenden Meeresspiegels, der die niedrig gelegenen Küsten zu verschlingen droht, plant die spanische Regierung, 832 Hektar privates Land im Ebro-Delta zu kaufen. Damit würde ein öffentlicher Puffer entlang der Küste um bis zu 560 Meter ins Landesinnere erweitert werden, wo die Natur ihren Lauf nehmen kann.
Vom Meer umspült
Das Restaurant "Vascos" an der Nordostküste des Ebro-Deltas ist vom Wasser umtost. Wird die Region von einem Sturm heimgesucht, eilen die Besitzerinnen Marcela und Maria Cinta Otamendi an die Küste, um sich zu vergewissern, dass das "Vascos" nicht vom Mittelmeer verschluckt wurde. Diese Angst hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt.
Bis zu 70 Prozent der Delta-Fläche ist bedroht
Mindestens ein Strand wird bis 2060 verschwunden sein, so die Prognose der Regierung. Das Ebro-Delta schrumpft aufgrund von Küstenerosion, durch den Anstieg des Meeresspiegels und häufigere Stürme infolge des Klimawandels. Ohne Maßnahmen würde es bis zum Jahr 2100 zu 70 Prozent überflutet sein, so die Annahme. Beim Sturm "Gloria" 2020 standen bereits zahlreiche Häuser und Felder unter Wasser.
Lokale Unternehmen fürchten um ihre Existenz
Im Januar 2020 überflutete "Gloria" 3000 Hektar Land in der Region, darunter auch den schmalen Streifen, der die Halbinsel Punta de la Banya am Südzipfel des Deltas mit dem Festland verbindet. Auf Punta de la Banya wird seit dem 18. Jahrhundert Salz abgebaut - heute mit modernen Maschinen.
Bevölkerung hofft auf Sinneswandel
"Vergonya", zu deutsch "Schande", steht an einer Ufermauer. Lukrative Reisfelder machen rund 65 Prozent der Fläche aus, die die Regierung ankaufen will. Aber nicht nur bei den Salzproduzenten und den Landwirten stoßen die Pläne der Regierung auf Ablehnung. Insgesamt 62.000 Menschen, die in der Region leben, blicken in eine ungewisse Zukunft.
Könnten Deiche das Delta retten?
Die Anwohner möchten, dass die Regierung versucht, ihr Land zu erhalten, statt es dem Meer zu überlassen - etwa durch den Bau von Deichen. Sechs Millionen Kubikmeter Sand müssten herbeigeschafft werden, um das Überleben der Strände für die nächsten 50 Jahre zu garantieren. Die Kosten dafür würden sich auf etwa 30 Millionen Euro belaufen.
Naturparadies vor dem Untergang?
Das Gebiet, das die Regierung ankaufen will, ist Teil eines 320 Quadratkilometer großen UNESCO-Biosphärenreservats. Es ist das wichtigste Feuchtgebiet Kataloniens und eines der größten Spaniens. Flora und Fauna sind vielfältig, viele Zugvögel machen im Ebro-Delta halt - mit etwas Glück können Besucherinnen und Besucher sogar frei lebende Flamingos beobachten.
Pessimistisches Szenario
Die Kontroverse um das Ebro-Delta zeigt, dass Regierungen bei ihrem Versuch, sich an die zunehmenden Umweltrisiken anzupassen, vor schwierigen Entscheidungen stehen. Während einige Wissenschaftler dafür plädieren, das Ebro-Delta durch Deichbau und Wasserpumpwerke zu retten, gehen andere davon aus, dass der Kampf aussichtslos wäre. Wie lange hier noch Reis geerntet werden kann, ist ungewiss.