Spanien schnallt den Gürtel enger
14. Juli 2012Das Kabinett in Madrid hat eine Reihe von Sparmaßnahmen verabschiedet, die zu einem drastischen Kürzungspaket gehören, mit dem in zweieinhalb Jahren bis zu 65 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Konkret beschloss die Ministerrunde, die Mehrwertsteuer am 1. September von derzeit 18 auf 21 Prozent zu erhöhen. Zugleich steigt der ermäßigte Steuersatz von acht auf zehn Prozent.
Finanzminister Cristóbal Montoro (Bild oben) sagte, die umstrittene Anhebung der Mehrwertsteuer sei unumgänglich. Man habe keine "andere Wahl". Als Gründe nannte er die Empfehlungen der EU-Kommission und die "absolute Priorität", das Haushaltsdefizit zu mindern. Spanien hat sich verpflichtet, das Haushaltsloch in diesem Jahr von 8,9 auf 6,3 Prozent zu drücken. 2014 soll das Defizit unter die zulässige Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen.
Als weitere Sparmaßnahme müssen die Ministerien ihre Ausgaben um zusätzliche 600 Millionen drosseln. Vom 1. Januar an wird der Steuerabzug beim Wohnungskauf gestrichen. Zudem wird das Arbeitslosengeld nach den ersten sechs Monaten gekürzt. Das Weihnachtsgeld für Staatsbedienstete wird in diesem Jahr gestrichen.
Rettungsanker für insolvente Regionen
Ferner sah sich die Zentralregierung genötigt, einen Rettungsfonds für die zahlungsunfähigen Regionen zu gründen. Wirtschaftsminister Luis de Guindos teilte mit, der Fonds solle ein Volumen von bis zu 18 Milliarden Euro erhalten. Dazu sollen sechs Milliarden Euro aus der staatlichen Lotterie und der Rest aus dem Staatshaushalt beigesteuert werden.
Die Kette der Kürzungen ist damit aber noch nicht zu Ende. Vize-Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria kündigte an, die Regierung werde schon bald einen Gesetzentwurf über die Reform des Rentensystems vorlegen. Sie habe zudem ein Programm über Strukturreformen für das zweite Halbjahr beschlossen. Dazu gehörten eine Reform der kommunalen Verwaltung und des Energiesektors sowie Gesetze zur Privatisierung bei Bahn, Straßen und Luftverkehr.
Wütende Bürger rügen einseitige Belastung
Die Bevölkerung wehrt sich gegen die neuen Daumenschrauben. In der Hauptstadt blockierten Arbeiter Straßen und Bahngleise. Der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy warfen die Demonstranten vor, ihre Sparmaßnahmen belasteten die einfachen Leute weit mehr als die Banker und Politiker, die doch an der Misere schuld seien.
Stundenlang blockierten Hunderte Demonstranten in Madrid die Straßen. "Kürzungen für die Banker, nicht für die Arbeiter!", riefen sie vor Ministerien und öffentlichen Gebäuden. Beschäftigte der staatlichen Eisenbahn Renfe sperrten die Gleise. Mitarbeiter des lokalen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TeleMadrid blockierten am Stadtrand eine Autobahn. Selbst einige Polizisten schlossen sich den Protesten an.
kle/fab (dpa, afp, rtr)