Sommernacht zu viert
4. Dezember 2008Für Liebeschaos und komplizierte Dreiecksbeziehungen hat Woody Allen bekanntlich ein gutes Händchen. In seinem neuesten Film "Vicky Cristina Barcelona" wagt er einen filmischen Ausflug, raus aus dem nass-kalten London, dem Spielort seiner letzten Werke "Match Point", "Scoop" und "Cassandras Traum", hinein in die sonnenverwöhnte katalanische Metropole Barcelona. Eine Stadt zwischen Kunst und Sprache, zwischen Romantik und mediterraner Lebensweisheit.
Amüsant-spritziges Filmvergnügen
Der Anfang des Films wirkt wie ein kitschiger Urlaubsprospekt: Landschaften, farbig und frisch wie Postkartenmotive, Architektur von Antoni Gaudí und Kunst von Joan Miró, dazu laue Abende mit heimischen Gitarrenklängen. Zu dieser eher ironisch gemeinten Inszenierung erklingt das Lied "Barcelona" von Giulia y Los Tellarini, eine Erzählerstimme im Stile eines billigen Foto-Liebesromans erklärt die Charaktere:
Im Mittelpunkt des amüsant-spritzigen Filmvergnügens steht das Gefühlsleben dreier Frauen, die verschiedener gar nicht sein könnten. Schon die Lebenseinstellungen der beiden befreundeten Amerikanerinnen, die als Touristinnen nach Barcelona reisen, sind grundverschieden. Vicky (gespielt von Rebecca Hall) ist bodenständig, verlobt und hat ein festes Ziel vor Augen. Dagegen ist Cristina (Scarlett Johansson) gerade mal wieder frisch getrennt und auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Nicht verwunderlich, dass Amor bald nach ihrer Ankunft als attraktiver Latin Lover und Künstler (Javier Bardem) auf der Bildfläche erscheint und die beiden Studentinnen spontan auf einen Wochenendtrip nach Oviedo einlädt. Nicht frei von Hintergedanken natürlich. Unverfroren macht er seine sexuellen Phantasien deutlich: ein Liebesabenteuer zu Dritt.
So erliegt Johansson, die bereits zum dritten Mal mit dem New Yorker Regisseur zusammen arbeitet, in der Rolle der abenteuerlustigen Cristina umgehend den Verführungskünsten des Malers Juan, während die vergebene Vicky das Angebot zunächst empört ablehnt, die beiden letztendlich aber auf die Reise begleitet. Doch es wäre kein Woody Allen Film, wenn die Dinge geradlinig ihren Verlauf nehmen würden. Obwohl der Zuschauer frühzeitig durchschauen kann, auf welche komplizierten Beziehungsverwicklungen der Film hinausläuft, bleibt die Dreiecksgeschichte dank pointierter Dialoge stets erfrischend und belebt.
Wenig Raum für Melodramatik
So wird nicht die blonde Draufgängerin die erste Bettgespielin des temperamentvollen Machos, sondern die zurückhaltende Vicky, die sich im Anschluss bis über beide Ohren in den Aufreißer verliebt, während Cristina krank das Bett hüten muss. Zurück in der katalanischen Hauptstadt, widmet sich Juan jedoch zunächst wieder der genesenen Abenteurerin, die sich nicht lange bitten lässt und sofort in seine Wohnung einzieht. Auch bei der anderen Frau im Dreierbunde zeigt die Liebesnacht Wirkung. Ihren Verlobten im fernen Amerika hat die Brünette schnell aufs Abstellgleis verfrachtet. Die spanische Sonne, der Wein und Amor machen es möglich. Doch für Melodramatik bietet der Film wenig Raum. Eifersucht und Missgunst bleiben im Hintergrund, die fröhliche Sommernachtsstimmung herrscht trotz Beziehungschaos vor.
Soweit die Klischees von biederen bis offenherzigen Amerikanern und unwiderstehlichen Südeuropäern. Spätestens als sich Juan Antonios Ex-Frau Maria Elena (Penélope Cruz) in das Handlungsgeschehen einmischt, wandelt sich das kleine Spielchen zu einer ironisch wie dramatisch wirkenden Beziehungskiste zu viert. Die feurige Spanierin ist immer noch rasend vor Liebe für Juan und sorgt damit für neuen Zündstoff. Cruz präsentiert sich dabei so herzzerreißend komisch, mit ihren Gefühlsausbrüchen zwischen Wut, Sehnsucht und Passion. Ihre Beziehung zu Juan Antonio trifft das eigentliche Thema des Films auf den Punkt: Die Sehnsucht nach erfüllter Liebe und der andauernden Leidenschaft.
Wenn Cristina und Maria Elena sich schließlich im Rotlicht einer Dunkelkammer küssen, spielt Allen spielt auf die Wunschvorstellung einer funktionierenden Dreiecksbeziehung an. Allerdings ist dieses Glück wie auch meist in der Realität nicht von langer Dauer und so nehmen die Entwicklungen ihren Lauf.
Allen verzichtet auf Gastauftritt
Der mittlerweile in die Jahre gekommene Woody Allen (73) tut diesmal sich und dem Publikum einen Gefallen und verzichtet auf einen Gastauftritt. Dafür übernehmen Bardem und Johansson in bestimmten Situationen die gewohnte Allen-Rolle. Cristinas fahrige Gesten, ihre beständige Unzufriedenheit und Suche nach dem Sinn des Lebens lassen in ihr den alten Stadtneurotiker durchscheinen. Wenn Cristina am Ende des Films in die USA zurückkehrt, weiß sie immer noch nicht, was sie will, doch der Abschied von der turbulenten spanischen Sommerbrise fällt ihr nicht leicht. Dem Kinobesucher wird es ähnlich gehen, denn außerhalb der Filmpaläste wartet wieder das nass-kalte, stürmische Winterwetter. (SJ)