Druck auf Musharraf
9. September 2007Die Gefängniszelle ist schon demonstrativ hergerichtet für die Sharif-Brüder, im historischen Attock Fort an der Straße von Islamabad nach Peshawar. Am gleichen Ort saßen sie vor ihrem unfreiwilligen Gang ins Exil ein. Sharif war vom heutigen Präsidenten Musharraf 1999 aus dem Amt geputscht und ins Exil nach Saudi-Arabien gedrängt worden. Kürzlich war Sharif vor das Oberste Gericht gezogen und hatte Recht bekommen: Als Pakistaner dürften er und sein Bruder Shahbaz jederzeit wieder nach Hause kommen. Für Montag (10.9.07) ist die Rückkehr geplant.
Präsident Pervez Musharraf wiederum versucht alles, seinen alten Widersacher in letzter Minute abzuschrecken. Vor der mit Spannung erwarteten Heimkehr hat die Polizei mehr als 2000 Oppositionsanhänger festgenommen, wie die Partei Sharifs, die Pakistanische Muslim-Liga, am Sonntag berichtete. Die Polizei riegelte vor der Ankunft Sharifs in Islamabad den Flughafen weiträumig ab, um seine Anhänger fernzuhalten.
Aber ob und für wie lange sie nächste Woche wieder hinter Gitter müssen, darüber herrscht - zumindest bei Nawaz - Unklarheit. Gegen seinen Bruder Shahbaz liegt bereits ein Haftbefehl vor, er soll in seiner Zeit als Ministerpräsident einer Provinz vor zehn Jahren die Tötung von fünf mutmaßlichen Terroristen angeordnet haben. Bei seiner Ankunft in Pakistan soll er sofort festgenommen werden.
Die Justiz will das Ende der Militärherrschaft
Den Zeitpunkt für ihren Flug nach Pakistan haben die Sharifs trotzdem günstig gewählt. Ihr wichtigster politischer Gegner, Präsident Musharraf, ist angeschlagen. Seine Amtszeit läuft aus, zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober muss er sich zur Wiederwahl stellen. Ob ihn die amtierenden Parlamente noch schnell bestätigen können, obwohl ihre Legislaturperiode ebenfalls zu Ende geht, und ob er - wie bisher - gleichzeitig Armeechef bleiben kann, das sind nur die wichtigsten verfassungsrechtlichen Fragen.
Bislang ist es das Jahr der Richter und Anwälte gewesen in Pakistan. Sie haben Musharrafs Versuch vereitelt, den unabhängig auftretenden Obersten Richter Iftikhar Chaudhry am 9. März aus dem Amt zu drängen. Auch nach der Kampagne für Chaudhry, ziehen sich die Anwälte keineswegs friedlich in die Gerichtssäle zurück, sondern haben am Donnerstag (6.9.) eine Kampagne zur Beendigung der Militärherrschaft begonnen. Das Oberste Gericht hat Nawaz Sharif die Rückkehr erlaubt und verhandelt inzwischen sogar darüber, ob Musharraf überhaupt rechtmäßiger Präsident ist.
Ein Deal mit Bhutto und den USA?
Als vermutlich letzten Ausweg führt Musharraf seit Wochen mit der anderen Ex-Premierministerin, Benazir Bhutto, mehr oder weniger geheime Verhandlungen. Spekuliert wird über einen Deal: Die Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto sollen fallengelassen werden, so dass sie ins Land zurückkehren könnte. Womöglich sogar als neue Premierministerin unter einem wieder gewählten Präsidenten Musharraf.
Der würde sein Amt als Armeechef aufgeben. Die Frage ist nur, ob vor oder nach der Wiederwahl. Daran scheint es zu haken mit dem Deal, den nicht zuletzt die USA befürworten. Sie halten Musharraf für einen wichtigen Verbündeten im Anti-Terror-Kampf, sähen es aber gerne, wenn seine Machtposition durch ein Bündnis mit der liberalen Benazir Bhutto eine breitere Basis bekäme.
Politisches Hin und Her
Die Zeit scheint jedenfalls vorbei, als man im Ausland dachte, dass einzig Musharraf die unruhige Lage in der Grenzregion zu Afghanistan und die Terror-Anschläge islamistischer Gruppen unter Kontrolle bringen könne. Stattdessen wächst der diplomatische Druck. Jan de Kok, EU-Botschafter in Pakistan, hofft, dass Musharraf sich an sein Versprechen gegenüber der EU-Kommission 2004, die Uniform abzulegen, hält. "Ich glaube nicht, dass es für das Image eines Landes heutzutage gut ist, einen Präsidenten in Uniform zu haben."
Doch Musharraf pokert weiter. Immer wieder kommen Gerüchte auf, dass der Ausnahmezustand verhängt werden könnte. Das ständige Hin und Her und die Geheimniskrämerei des Präsidenten gehen vielen Pakistanern auf die Nerven. "Niemand redet mehr von pakistanischen Exporten, von Investitionen – alle nur noch von politischer Ungewissheit und Instabilität!", ereifert sich der Vorsitzende der Handelskammer in der Wirtschaftsmetropole Karachi, Majid Aziz.
Manche Geschäftsleute vertreiben sich einstweilen die Zeit damit, Wetten darauf abzuschließen, ob Nawaz Sharif am Montag nun wirklich in Islamabad landen wird. Glaubt man den Buchmachern, standen Mitte der Woche die Chancen schlecht für seine Rückkehr - aber die Quoten sind so wechselhaft wie die politische Stimmung in Pakistan.