Spannungen im Südchinesischen Meer
18. April 2012Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer haben Tradition. Alle Anrainer erheben Ansprüche auf zum Teil dieselben Insel- bzw. Felsengruppen und Riffe in den Gewässern, die im Süden und Westen von Malaysia und Vietnam, im Norden von China und Taiwan und im Osten von den Philippinen und Brunei begrenzt werden.
Den umfassendsten Anspruch erhebt China, das praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich reklamiert. Diesen Anspruch hat es im Fall der Paracel-Inseln im Jahr 1974 gewaltsam gegen Vietnam durchgesetzt. Die Inseln (chinesisch: Xisha, vietnamesisch: Hoang Sa) werden von China verwaltet, wobei Vietnam seine Ansprüche aufrechterhält.
Während dieser Territorialstreit damit vorerst entschieden zu sein scheint, kommt es in anderen Gebieten des Südchinesischen Meeres weiterhin zu Spannungen, vor allem zwischen China und den Philippinen. So jüngst am Scarborough-Riff (chinesisch: Huangyan, in Tagalog: Panatag), wo sich vor zehn Tagen (08.04.2012) eine Konfrontation zwischen chinesischen Fischerbooten und der philippinischen Marine entwickelte. Zwar ist das von Manila entsandte Kriegsschiff abgezogen, ebenso wie die chinesischen Fischerboote – mitsamt ihrem nach philippinischer Darstellung illegalen Fang -, aber die Situation bleibt angespannt.
Denn immer noch belauerten sich am Mittwoch (18.04.2012) zwei chinesische Aufklärungsschiffe und eines der philippinischen Küstenwache am Rand der Lagune. Außerdem sucht ein philippinisches Forschungsschiff in dem Gebiet nach versunkenen Wracks. Dieses solle die Gegend sofort verlassen, ebenso wie die philippinischen Schiffe, "damit die Gewässer um die Huangyan-Insel wieder zu Frieden und Stabilität zurückkehren können“, so ein Außenamtssprecher in Peking. Diese Botschaft wurde dem "dringend einbestellten“ philippinischen Geschäftsträger in Peking übermittelt.
Historisches Tauziehen
Peking begründet seinen Anspruch auf das Riff damit, dass es das Gebiet schon im 13. Jahrhundert entdeckt, in der Folge benannt und unter seine Jurisdiktion gestellt habe. Manila wiederum weist diese historische Argumentation zurück, damit könne kein Gebietserwerb begründet werden. Entscheidend sei, dass das Gebiet innerhalb der international anerkannten 200-Seemeilen-Wirtschaftszone der Philippinen liegt. Das Riff liegt rund 124 Seemeilen (230 Kilometer) vor der nördlichen Insel Luzon, während das nächste chinesische Festland über vier Mal soweit entfernt ist.
Manila hat Peking angeboten, die Frage beim Internationalen Seegerichtshof klären zu lassen. Darauf muss Peking aber nicht eingehen, so der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon, denn entscheidend sei: "Für welche Fragen haben die Staaten die Gerichtsbarkeit eines Gerichtes anerkannt? Bei Territorialstreitigkeiten, zum Beispiel wem gewisse Inseln im Südchinesischen Meer gehören, besteht keine zwingende Gerichtsbarkeit. Das heißt, letztendlich läuft alles auf eine Verhandlungslösung hinaus.“
Auf die will Manila sich aber nicht alleine verlassen angesichts seiner militärischen Unterlegenheit gegenüber einem massiv aufrüstenden China. So hat denn auch US-Außenministerin Hillary Clinton im vergangenen November an Bord eines US-Zerstörers im Hafen von Manila den Philippinen die Unterstützung der USA zugesichert, wenn es darum gehe, "Provokationen durch staatliche wie nicht-staatliche Akteure abzuwehren.“ In einer Erklärung von Clinton und ihrem Amtskollegen Albert de Rosario wurde auch die Gewährleistung der freien und ungehinderten Seefahrt gefordert.
Am Montag (16.04.2012) haben gemeinsame philippinisch-amerikanische Manöver begonnen, mit dem Schwerpunkt an der Westküste der langgestreckten Palawan-Insel, vor deren Küste sich die umstrittene Inselgruppe der Spratlys (vietnamesisch: Truong Sa, chinesisch: Nansha) befindet. Diese werden in ihrer Gesamtheit ebenfalls von China beansprucht, aber von unterschiedlichen Anrainern, darunter Vietnam und den Philippinen, besetzt. In diesem Seegebiet kam es im vergangenen Jahr zu einem Zwischenfall, der die tiefer liegende Bedeutung des Territorialstreits beleuchtet.
Der Kampf um Ressourcen
Schätzungen beziffern das Erdölvorkommen unter dem Südchinesischen Meer auf bis zu 230 Milliarden Barrel, was etwa dem 60-fachen Jahresverbrauch Chinas entspricht. Chinesische Schiffe vertrieben im März 2011 bei der Reed-Bank am Nordost-Rand der Spratlys das Schiff eines britischen Energieunternehmens, das dort im Auftrag der Philippinen Erdgasvorkommen erkunden wollte. Auch Einladungen Vietnams an russische und indische Partner zur Erdölexploration in seiner maritimen Wirtschaftszone haben Peking jüngst zu mahnenden Worten veranlasst, sich aus dem Südchinesischen Meer herauszuhalten.