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Fokus Finnland bei der Frankfurter Buchmesse

Holger Heimann23. Juli 2014

Noch nie wurden so viele finnische Titel ins Deutsche übertragen wie jetzt. Im Oktober ist Finnland Gastland der weltgrößten Buchmesse in Frankfurt. Stefan Moster ist der wohl bekannteste Übersetzer aus dem Finnischen.

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Der Übersetzer Stefan Moster (Foto: Mathias Bothor)
Bild: Mathias Bothor

Ähnlichkeiten mit dem Deutschen oder Englischen gibt es nicht. Das Finnische gehört zu den uralischen Sprachen, und es klingt deshalb sehr fremd für unsere Ohren. Nicht aber für Stefan Moster. Der übersetzt seit mittlerweile fast 20 Jahren finnische Literatur ins Deutsche. Und noch nie war die Arbeit des 49-jährigen so gefragt wie in diesem Jahr, da das kleine skandinavische Land im Oktober Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist.

Enormes Arbeitspensum

Ab Acht Uhr morgens spätestens sitzt Moster deshalb jeden Tag an seinem Schreibtisch in dem kleinen Haus in Espoo, einem Vorort von Helsinki. Seit elf Jahren wohnt er hier, zusammen mit seiner finnischen Frau, die ebenfalls Übersetzerin ist, und den drei Kindern. Das Pensum ist enorm: "Ich habe mir einmal zur Regel gemacht, an Wochenenden nicht zu arbeiten, aber das ist seit vergangenem Herbst hinfällig." Es gibt derzeit einfach zu viele Offerten von deutschen Verlagen.

Deutschland Buchcover Hannu Raittila Kontinentaldrift (Foto: Luchterhand)
Erscheint zur Buchmesse: Hannu Raittilas "Kontinentaldrift"

Der gebürtige Mainzer ist einer der renommiertesten, vielleicht sogar der gefragteste Übersetzer aus dem Finnischen überhaupt. Sechs Bücher hat er jetzt zur anstehenden Buchmesse ins Deutsche übertragen. Gerade liegt der neue Roman von Hannu Raittila neben seinem Laptop. "Irgendwo spüre ich, dass im Hintergrund eine irrsinnige Erschöpfung existiert", sagt er. Aber im Juli muss er abgeben und also geht die Schreibtischfron vorerst ungemindert weiter. Auf dem schmalen Tisch stehen einige Wörterbücher, doch die benutzt er kaum. Das empfindet Moster selbst als "merkwürdig". Zuweilen, sehr selten, frage er seine Frau, erzählt der Autor und Übersetzer.

Konzentration aufs eigene Schreiben

Nach der Buchmesse will er überlegen, wie er sein Berufsleben künftig anders gestalten kann. Denn Moster ist auch - und in der Seele wohl sogar zuallererst - Schriftsteller. Drei Romane hat er bislang veröffentlicht. Doch das eigene Schreiben, das ihm so wichtig ist, kam zuletzt viel zu kurz. Dabei ist es für ihn die erfüllendere Tätigkeit: "Wenn ich den ganzen Tag schreibe, bin ich müde, aber es geht mir gut. Wenn ich den ganzen Tag übersetze, dann kann sich so ein körperliches Unwohlsein einstellen."

Finnlands Minister für Kultur und Sport, Paavo Arhinmäki, Iris Schwanck, Direktorin von "Finnland. Cool.", Autor Roman Schatz und Buchmesse-Direktor Juergen Boos in Frankfurt (von l.) (Foto: dpa)
Ausblick auf die Buchmesse 2014: Finnlands Minister für Kultur und Sport, Paavo Arhinmäki, Iris Schwanck, Direktorin von "Finnland. Cool.", Autor Roman Schatz und Buchmesse-Direktor Juergen Boos in Frankfurt (von l. nach r.)Bild: picture-alliance/dpa

Das habe damit zu tun, dass man nur beim Schreiben seinem eigenen Rhythmus folgt, vermutet Moster. "Es ist so, wie wenn man Sport macht, ohne dass man einen Zuchtmeister vor sich hat. Und selbst entscheidet, wann gehe ich, wann laufe ich, wann sprinte ich."

"Fordernd ist jede Übersetzung"

Momentan wird ihm der Takt von Raittilas neuem Roman diktiert. Der trägt den deutschen Titel "Kontinentaldrift". Es ist die Geschichte zweier Mädchen, die sich am liebsten auf Flughäfen herumtreiben. Es ist der fünfte Roman des vielfach prämierten Finnen, den Moster übersetzt. Für seine Entwicklung als Übersetzer sei Raittila enorm wichtig gewesen, erzählt er: "Er hat so viele Erzählstimmen in seinen Texten, einen eigenen Ton, einen eigenen Stil. Und er verlangt einem ab, sich mit sehr fremden Sachgebieten auseinanderzusetzen."

Fordernd ist indes jede Übersetzung aus dem Finnischen, dieser so fremdartigen Sprache, auch die von literarisch weniger komplexen Texten. Kaum einer weiß das besser als Stefan Moster: "Es ist schwieriger, als etwa aus dem Englischen zu übersetzen, weil der Schritt größer ist, weil man sich nicht im gleichen Maß anlehnen kann. Man geht ganz rein ins Original und dann muss man wirklich ganz raus gehen. Es darf sozusagen nichts mehr an einem hängen. Wenn man aus diesem Bad steigt, muss man trocken sein."

Anna Storm aus Helsinki blättert am 10.10.2013 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main (Hessen) am Stand der finnischen Autoren in einem Kinderbuch. (Foto: Arne Dedert/dpa)
2013 blickte die Buchmesse schon mal aufs Gastland 2014Bild: picture-alliance/dpa

Nicht preiswürdig?

Früher hätten Übersetzer oft "Lehrbücher der finnischen Sprache in Literaturform" abgeliefert. Eine Gefahr, wie sie bei kleinen Sprachen immer bestehe, glaubt Moster: "Die Übersetzer kommen häufig von der Linguistik her und haben einen sehr starken Hang, gerade das spezifisch Sprachliche zu vermitteln. Aber es geht um Literatur, die Literarizität des einzelnen Textes muss vermittelt werden und nicht so sehr das Finnische daran."

Stefan Moster selbst hat in München Komparatistik, Philosophie und Finno-Ugristik studiert. Sein Berufsweg war dabei jedoch alles andere als vorgezeichnet: "Ich dachte, Finnisch - das kannst du mal probieren, weil es so fremd ist. Es könnte interessant sein, Deutschland in der Mitte Europas mal vom Rand aus zu betrachten und eine Sprache zu lernen, die ganz anders funktioniert als das, was man so kennt."

Buchcober von Stefan Mosters Roman (Foto: Mare Verlag)
Erfolg auch als Autor: Stefan Mosters Roman

Bereut hat er es nicht, obschon er die Erfahrung gemach hat, dass man mit finnischen Autoren nicht berühmt werden kann: "Mir ist vollkommen klar, dass ich nie einen großen Preis bekommen werde - ich weiß gar nicht, ob ich es verdient hätte." Aber Preise seien auch nicht so wichtig: "Für die Arbeit ist es vollkommen gleichgültig, ob die Literatur groß oder klein ist."

Kein Kuriosum vom Rand

Stefan Moster ist kein Schwärmer, sondern eher ein kritischer Beobachter, einer, der die Dinge so zu sehen versucht, wie sie sind. Man könne nicht erwarten, dass in Finnland jedes Jahr hundert Spitzenbücher erscheinen, sagt er. Und auch der überragende Bestsellerautor, der die Aufmerksamkeit auf die Literatur eines ganzen Landes zu lenken vermöge, sei vorerst nicht in Sicht.

Aber zugleich ist sich der deutsche Finnland-Experte sicher: "Der prozentuale Anteil von wirklich guten Büchern ist hoch, das kann sich sehen lassen." Aufgabe der Übersetzer sei es, zu vermitteln, dass auch aus Finnland europäische Erzählliteratur kommt. "Das ist nicht einfach nur ein Kuriosum vom Rand."