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Gezielte Attacke?

Daniel Pelz14. September 2012

Nach dem Sturm auf die deutsche Botschaft im Sudan ist die Ratlosigkeit groß: Warum war ausgerechnet die Vertretung der Bundesrepublik das Ziel der Demonstranten?

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Sudanesische Demonstranten vor der brennenden deutschen Botschaft in Khartum am 14.09.2012. (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Dass es Proteste geben würde, habe man geahnt, sagt Lilli Kobler vom Goethe-Institut in Khartum. "Aber das Ausmaß der Gewalt hat uns überrascht", sagt die Institutsleiterin. Sie ist nicht auf die Straße gegangen, wie es die Botschaft den Deutschen im Sudan geraten hatte. "Der Freitag ist ein ruhiger Tag, die Geschäfte sind zu und die Menschen bleiben zu Hause." Das Goethe-Institut sei zum Glück nicht betroffen gewesen, wegen des islamischen Ruhetags war es ohnehin geschlossen.

Ob die deutsche Botschaft gezielt angegriffen wurde, konnte am Freitagabend (14.09.2012) niemand sagen. Hinter vorgehaltener Hand mutmaßen manche, dass die Gesandtschaft ein Zufallsopfer war. Sie ist eine der wenigen diplomatischen Vertretungen in der Innenstadt. Und: Sie steht in der Nähe einer der Moscheen, aus der nach dem Freitagsgebet wütende Demonstranten ausgezogen waren.

Wut über Mohammed-Karikaturen

Fakt ist aber auch: Seit Tagen verstärken sich die Spannungen im Sudan. Das berichten verschiedene Beobachter aus Khartum. In der vergangenen Woche hatten radikale Imame nach dem Freitagsgebet zum ersten Mal gefordert, die Zusammenarbeit mit Deutschland abzubrechen. Der Grund: Deutschland gehöre zu der Gruppe westlicher Staaten, die gegen den Islam seien.

An diesem Donnerstag (13.09.) legten sie dann noch einmal nach: Die offizielle Vertretung der Islamgelehrten kritisierte nach einem Bericht der Zeitung "Sudan Tribune", dass in Berlin vor den Moscheen Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt würden. Das Blatt berichtet weiter, dass extremistische Prediger mit Verbindungen zu Salafisten am selben Donnerstag geplant hätten, vor der deutschen und der britischen Botschaft zu demonstrieren. Befürworter friedlicher Proteste seien bei dem Treffen ausgebuht worden, Anwesende hätten anti-deutsche Parolen gerufen. Unabhängige Belege für diese Darstellung gibt es allerdings nicht.

Demonstranten an der deutschen Botschaft in Khartum, Sudan, am 14.09.2012 (Foto: AFP/GettyImages)
Nach einem Zeitungsbericht waren die Proteste geplantBild: AFP/Getty Images

Armut und Perspektivlosigkeit

Solche Proteste finden im Sudan einen guten Nährboden. "Es gibt viele frustrierte junge Leute, die aufgrund der schweren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Sudan keine Perspektive für sich sehen", sagt Florian Dähne vom Sudan-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Khartum. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene leiden unter der wirtschaftlichen Misere. Seit der Unabhängigkeit des Südsudans 2011 hat der Norden drei Viertel seiner Ölreserven eingebüßt. Seitdem verliert die Währung rapide an Wert, die Inflation steigt. Fast die Hälfte der Sudanesen lebt unter der Armutsgrenze, ein Viertel aller Jugendlichen ist arbeitslos.

Dennoch war am Freitag noch auf der Website der deutschen Botschaft zu lesen: "Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Sudan können als gut bezeichnet werden." Auch Lilli Kobler sagt: "Wir haben bisher nicht erkennen können, dass Deutschland als islamfeindliches Land wahrgenommen wird." Das Goethe-Institut arbeitet im Sudan seit 50 Jahren, die Deutschkurse sind noch immer beliebt, so Kobler. "Deutschland wird für seine Technik und Wissenschaft sehr geschätzt."

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am 14.09.2012 im Auswärtigen Amt in Berlin - Statement zum Angriff auf die deutsche Botschaft im Sudan (Foto: dapd)
Außenminister Westerwelle verurteilte die Anschläge scharfBild: dapd

Kein Auszug aus dem Sudan

Trotz der Attacke: Deutschland will seine Botschaft im Sudan nicht dauerhaft schließen. Zunächst bleibe die Vertretung bis einschließlich Montag (17.09.) geschlossen, heißt es auf deren Homepage. Es gibt auch keine Berichte darüber, dass Deutsche das Land nun verlassen wollten. "Wir bleiben zu Hause, verhalten uns unauffällig und warten, dass sich die Lage entspannt", resümiert FES-Repräsentant Dähne.