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Sprachstreit sorgt für neue Probleme

Baha Güngör31. Januar 2002

Den militärischen Kampf um mehr Freiheiten haben die Kurden verloren. Nun bescheren kurdische Aktivisten mit einem von ihnen entfachten Sprachstreit der Türkei aber neue Probleme.

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Mesut Yilmaz, türkischer Vize-PremierBild: AP

Die kurdischen Aktivisten haben eine sogenannte "Friedens-Initiative" gestartet, verbunden mit der Forderung nach "zivilem Ungehorsam". Konkret bedeutet dies: Die Amtsstuben von Universitäten und Oberschulen in der Türkei werden mit Anträgen von Studenten, Schülern und Eltern mit der Forderung nach Ausbildung in kurdischer Sprache zugeschüttet.

In den Begründungen der Anträge heißt es, die Kommunikation zwischen Kindern und Eltern werde wegen der fehlenden Ausbildung in kurdischer Sprache immer schwerer. Innenminister Rüstü Kazim Yücelen dagegen sprach von einem "neuen Versuch, die Türkei in Europa in Schwierigkeiten zu bringen". Er schrieb seinen Gouverneuren in den 81 Provinzen des Landes, die Aktion sei "verfassungswidrig" und etwaige Demonstrationen seien "zu unterbinden".

Harte Reaktionen

Damit löste die Regierung eine Welle äußerst harter Aktionen von Polizei und paramilitärischer Gendarmerie gegen aufkeimende Protestversammlungen aus. Nicht jeder türkische Politiker ist damit zufrieden. Der noch von einer Reihe von Verbotsverfahren gegen sich und gegen seine "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" bedrohte gemäßigte Islamistenführer Recep Tayyip Erdogan zum Beispiel sieht keine Hindernisse für kurdischsprachigen Unterricht.

Anders der stellvertretende Ministerpräsident Mesut Yilmaz von der konservativen Mutterlandspartei (ANAP). Er weist darauf hin, dass die türkische Verfassung Kurdisch als Unterrichtssprache ausschließe. Trotz dieser offenkundigen Bestimmung habe jeder Bürger in der Türkei das Recht, Anträge einzureichen. Aber dieses Recht dürfe nicht zu einer politischen Kampagne ausarten. "Wenn dieses Recht missbraucht wird, wird es zu Spannungen in der Gesellschaft kommen", meint Yilmaz.

PKK hinter Friedensinitiative

Öcalan
PKK-Führer Abdullah Öcalan vor Gericht auf der Gefangeneninsel ImraliBild: AP

Hinter der sogenannten "Friedensinitiative" verbirgt sich die auch in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Sie verbindet ihre Aufforderung an die Adresse von mehr als zehn Millionen Kurden zu "zivilem Ungehorsam" mit der Feststellung, dass die Friedens-Initiative "heiliger sei als die Aktion vom 15. August 1984". Damals hatte die PKK die ersten Anschläge auf türkisches Militär im Südosten des NATO-Landes verübt und den Krieg für ein unabhängiges Kurdistan eingeleitet. Nachdem mehr als 40.000 Menschen getötet worden waren, ging die Spirale von Gewalt und Gegengewalt im Februar 1999 mit der Festnahme von PKK-Führer Abdullah Öcalan zu Ende.

Die Türkei räumt unter Berufung auf ihre Verpflichtungen, die aus den 1924 geschlossenen Friedensverträgen von Lausanne resultieren, lediglich Griechen, Juden und Armeniern sowie einigen weiteren kleineren christlichen Gemeinden einen Minderheitenstatus ein. Den Kurden wird dies verweigert wird, weil sie damals in Lausanne als Muslime und damit nicht als Minderheit eingestuft worden. Deshalb haben sie im Gegensatz zu Nicht-Muslimen kein verbrieftes Recht auf spezielle Sprach- und Kulturpflege oder eigene Zeitungen.

Allerdings ist sich die Türkei der Tatsache bewusst, dass sie gemäß den Kopenhagener Kriterien als eine Voraussetzung für den Beitritt zur Europäischen Union kurdische Rundfunk- und Fernsehprogramme zulassen muss. In diesem Punkt zeigt sich die türkische Regierung denn auch flexibler. Entsprechende Verfassungsänderungen wurden bereits beschlossen, müssen aber noch gesetzlich umgesetzt werden.