Libyer wählen Verfassungsrat
20. Februar 2014692 Kandidaten, unter ihnen 73 Frauen, bewerben sich um die 58 Sitze der verfassunggebenden Versammlung. Die landesweit rund 1500 Wahllokale wurden jeweils von mindestens 25 Sicherheitskräften bewacht. Die drei historischen Regionen - Tripolitanien, Cyrenaica und Fezzan - sind mit jeweils 20 Mitgliedern in dem Verfassungsrat vertreten. 15 Sitze sind für Frauen reserviert. Die Berber und Angehörige der Minderheit der Tebu boykottierten den Urnengang. In einigen südlichen Städten verhinderten sie die Verteilung der Stimmzettel an die Wahllokale. Der Verfassungsrat soll über grundlegende Fragen wie die Struktur der Regierung, den Status von Minderheiten und das islamische Recht der Scharia beraten. Über den Verfassungsentwurf wird dann das Volk in einem Referendum abstimmen.
Das neue Grundgesetz soll die Lage in dem nordafrikanischen Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 und einer chaotischen Übergangsphase wieder stabilisieren. Jedoch registrierte sich lediglich ein Drittel der 3,4 Millionen Wahlberechtigten für die Abstimmung, deutlich weniger als bei den ersten freien Wahlen zum Übergangsparlament im Juli 2012. In der Hauptstadt Tripolis bildeten sich keine langen Warteschlangen.
Blockadeversuche von Islamisten
Die Wahl wurde von Störversuchen radikaler Islamisten überschattet. In der östlichen Stadt Derna erschossen die Islamisten einen Mann, der sie daran hindern wollte, ein Wahllokal zu verwüsten. Das berichtete ein lokaler Wahlbeobachter der Nachrichtenwebsite Al-Wasat. Seinen Angaben zufolge vertrieben die Islamisten außerdem vor einem anderen Wahllokal in der Stadt eine Gruppe von Wählern. Sie gaben Schüsse in die Luft ab und beschimpften die Wähler als "Ungläubige".
Der Vorsitzende des Kommunalrates von Derna, Awad Lairadsch, sagte, am Morgen seien fünf Wahllokale angegriffen worden. Die Explosionen hätten Sachschaden verursacht. Derna gilt als Hochburg radikaler Islamisten und Terroristen aus dem Umfeld des Terrornetzwerks Al-Kaida. Aus einem Wahllokal in der Küstenstadt Bengasi wurden Stimmzettel gestohlen.
"Schlechte Erfahrungen"
"Die Bürger habe irgendwie das Vertrauen in den Wahlprozess verloren. Das liegt an den schlechten Erfahrungen, die wir mit dem Parlament gemacht haben", sagte Ahmed al-Hawat, der seine Stimme im Stadtviertel Al-Andalus in Tripolis abgab. Nichtwähler erklärten, das Parlament habe die Sicherheitsprobleme nicht gelöst und "nichts für die einfachen Bürger getan".
Viele Libyer klagen über das selbstherrliche Gebaren der Ex-Revolutionäre, die sich nach dem Sieg über die Truppen von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 geweigert hatten, ihre Waffen abzugeben. Erst zwei Tage vor der Wahl hatten zwei Brigaden aus der Stadt Al-Sintan gedroht, das Parlament mit Gewalt aufzulösen. In Bengasi werden fast täglich Attentate auf Beamte und Soldaten verübt.
kle/re (dpa, afp)