Staatsakt für Helmut Schmidt
23. November 2015Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte ihren vor rund zwei Wochen verstorbenen Amtsvorgänger Helmut Schmidt als eine partei- und generationsübergreifende "Instanz". Beim Staatsakt in der Hamburger Hauptkirche Sankt Michaelis sagte sie, der Tod Helmut Schmidts sei eine "herbe Zäsur". Er reiße eine Lücke in die politische und publizistische Landschaft. "Wir verneigen uns in tiefem Respekt vor einem großen Deutschen und Europäer".
Merkel betonte, Schmidt habe sich größten Respekt erworben. Sein hohes Ansehen basiere auf seiner Verantwortung und seiner Bereitschaft, sich auch schwierigsten Aufgaben zu stellen. Aus der DDR heraus habe sie als geborene Hamburgerin das entschlossene Eingreifen Schmidts bei der Sturmflut von 1962 in Hamburg verfolgt. Wenn Helmut Schmidt überzeugt gewesen sei, das Richtige zu tun, dann habe er dies getan. "Er war bereit, selbst den höchsten Preis zu zahlen." Er habe sich gegen jede Form blinder Ideologien gewehrt, betonte Merkel. Schmidt habe für die Demokratie gebrannt. Dies habe auch für die Europäische Union gegolten. Der Altkanzler sei eine "herausragende Persönlichkeit", erklärte Merkel. Sie beendete ihre Trauerrede mit dem Satz: "Lieber Helmut Schmidt, Sie werden uns fehlen."
"Öffentlicher Intellektueller"
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz würdigte den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Schmidt als Staatsmann und "öffentlichen Intellektuellen". "Wir haben einen Giganten verloren", sagte Scholz vor 1.800 geladenen Gästen. Selten sei einem Politiker in Deutschland so viel Respekt und Vertrauen entgegengebracht worden wie Schmidt. Der SPD-Politiker wies auch auf die Rolle Schmidts als politischer Publizist hin, die dieser nach seinem Abschied aus dem Kanzleramt als Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit" über Jahrzehnte ausgefüllt habe.
Scholz ging auch auf die Pariser Terroranschläge vom 13. November mit 130 Toten ein. Die offene Gesellschaft, die Helmut Schmidt so am Herzen gelegen habe, habe erbitterte Feinde, sagte der Erste Bürgermeister. "Wir werden die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit unserer offenen Gesellschaft gegen diese feigen Angriffe verteidigen", betonte der SPD-Politiker.
Mut und Vision
Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger nannte den ehemaligen Bundeskanzler einen besonderen Freund. Er habe ihn 60 Jahre lang gekannt und geschätzt, sagte Kissinger. Schmidt sei gebildeter als die meisten Politiker der Nachkriegszeit gewesen. Er habe Mut und Vision verkörpert: Mut, um der Stagnation entgegenzuwirken, und Vision, um das Staatsschiff durch schwieriges Gewässer zu steuern. Schmidt habe diese beiden für Staatsmänner elementaren Eigenschaften verkörpert, auch wenn er sie für sich selbst nie reklamiert habe, sagte Kissinger in seiner sehr persönlichen Ansprache. Der aus Fürth stammende Kissinger hielt seine Rede auf Deutsch.
Bei dem Staatsakt im Hamburger Michel, der am Vormittag mit einem Gottesdienst und einer Predigt von Hauptpastor Alexander Röder begonnen hatte, erwiesen die Spitzen der Verfassungsorgane, darunter Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem Altkanzler die letzte Ehre. Für den Staatsakt waren strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Unter den Gästen waren zahlreiche amtierende und frühere Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland. Auch Weggefährten Schmidts wie Frankreichs Ex-Präsident Valérie Giscard d'Estaing und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger sowie die früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, Horst Köhler und Christian Wulff nahmen persönlich Abschied von Schmidt.
Schmidt war am 10. November im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben. Der SPD-Politiker war von 1974 und bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. Dabei war er unter anderem mit der Ölkrise in den 70er Jahren und dem Kampf gegen den Terrorismus der Roten Armee-Fraktion konfrontiert. Auch die Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluss prägte Schmidts Kanzlerschaft. Von 1983 bis zu seinem Tod war er Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit".
Ehrengeleit durch Bundeswehr
An den Staatsakt schloß sich ein Großes Militärisches Ehrengeleit durch das Wachbataillon der Bundeswehr vor dem "Michel" an. Anschließend wurde Schmidts Sarg in einer Trauer-Eskorte durch die Hansestadt zum Friedhof Ohlsdorf gefahren, wo die Feierlichkeiten in privatem Kreis enden. Mit der Eskorte sollten die Bürger Gelegenheit erhalten, von dem beliebten Politiker Abschied zu nehmen. Tausende säumten die Straßen, als der Trauerzug zum Friedhof fuhr.
kle/as (epd, dpa, afp)