Stadtflucht in Ungarn: Wird nachhaltiges Leben zum Trend?
Naturnah leben, Lebensmittel selbst anbauen und sich auf das Wesentliche besinnen - in einer Gegend rund 70 Kilometer südlich von Budapest entstehen Öko-Dörfer, deren Bewohner der Konsumgesellschaft den Rücken kehren.
"Von unseren Kindern gepachtet"
Laszlo Kemencei spielt mit seiner Tochter im Gewächshaus der Familie. Vor drei Jahren ist er mit Ehefrau Cintia Mnyere in ein Haus mit 4,5 Hektar Land etwa 70 Kilometer südlich von Budapest gezogen. "Dieses Land haben wir nicht von unsern Vätern geerbt, sondern von unseren Kindern gepachtet, also versuchen wir, nachhaltig zu leben und das Land zu bewirtschaften", sagt Kemencei.
Zurück zum Wesentlichen
Kemencei schätzt, dass neben seiner rund 1000 weitere Familien in der Gegend um die Kreisstadt Kecskemet eine nachhaltige Lebensweise anstreben oder sich als Selbstversorger bezeichnen. Eine davon ist die Familie von Petra Pogany-Bago, die das Wasser zum Spülen aus einem Brunnen holen muss. Teilweise leben diese Menschen in ökologisch orientierten Dörfern, in denen man sich gegenseitig hilft.
Ansprüche herunterschrauben
"Wir sollten unsere Ansprüche ein wenig zurückschrauben", findet Laszlo Kemencei. "Wir leben in einer Welt, in der wir auf einem galoppierenden Pferd sitzen, und wenn das Pferd stirbt, springen wir einfach auf ein anderes. Das ist beängstigend, aber ich denke, jeder sollte sein Bestes im Rahmen seiner Möglichkeiten tun."
Nachhaltigkeit als Trend?
Es gibt keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Familien in Ungarn einen ähnlichen Lebensstil wie Kemencei und Pogany-Bago gewählt haben. Es scheinen jedoch mehr zu werden. Eine Art Trend, bei dem einige die Kosten der Lebenshaltung senken, andere der Konsumgesellschaft entfliehen oder einfach umweltfreundlicher leben möchten.
Geschäftsaufgabe für die Natur
Gabi Varga (links) und Emo Ambrus waschen Gemüse, um Kimchi daraus zu machen. Beide Frauen sind Teil einer sich selbst versorgenden Gemeinschaft, die hauptsächlich aus Nachbarn besteht, die ihre Erzeugnisse gemeinsam nutzen und auf verschiedenen Märkten verkaufen. Das IT- und Solarmodulgeschäft, welches Gabi Varga und ihr Mann besaßen, haben sie für dieses Leben aufgegeben.
Tauschhandel reaktiviert
Vertrauensvolle Netzwerke sind auch für Laszlo Kemencei wichtig. Manchmal tauscht er ein Hängebauchschwein oder ein Huhn mit Bekannten gegen Honig oder andere Waren: "Wir schlachten manchmal Hühner für den Tauschhandel", sagt er."Aber nur, wenn wir wissen, dass die andern eine ähnliche Landwirtschaft betreiben wie wir."
Handel rechnet sich
Laszlo Kemenceis Familie kann mit rund 250.000 Forint (640 €) im Monat auskommen. Alle Grundnahrungsmittel, die sie nicht selber anbauen können, kaufen sie ein. "Wir wollen hier nicht die Welt verändern ... oder eine Art Superhelden werden, davon gibt es viele, wir wollen nur das meiste von dem produzieren, was wir zum Leben brauchen."