Starke Wirtschaft, starkes Japan
17. Mai 2013Noch vor kurzem wurde die Wirtschaftsstrategie der "Abenomics" im Westen als Versuch von Japan wahrgenommen, einen Währungskrieg zu führen. Doch nun staunt die Welt über Japans eigenwilligen Erfolgsweg aus seiner Dauerkrise: Im ersten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt um real 0,9 Prozent zum Vorquartal gewachsen. Mit der Jahresrate von 3,5 Prozent ist Japan nun der Spitzenreiter unter den G7-Nationen.
Als Ursachen für die Trendwende gelten der schwache Yen und die gestiegenen Aktienkurse. Beides sind Folgewirkungen der Wirtschaftsstrategie von Regierungschef Abe, der auf eine extrem lockere Geldpolitik und höhere Staatsausgaben setzt. Wegen der Aussicht auf eine langanhaltende, große Geldflut hat der Yen seit Anfang Januar real ein Fünftel an Wert verloren, so dass die Aktienkurse förmlich explodierten und die Gewinne der Exportfirmen kräftig wuchsen.
Mehr Ausfuhren und Privatkonsum
Daher wurde der Aufschwung zum Jahresbeginn zum einen vom Export getragen, der um 3,8 Prozent zulegte. Allerdings passt diese Zahl nicht gut zu den eher durchwachsenen monatlichen Ausfuhrdaten. Bei den Exporten dürfte Japan sowohl von der Yen-Abwertung als auch vom Konjunkturaufschwung in China und den USA profitiert haben. Zum anderen steigerten die japanischen Verbraucher zwischen Januar und März ihre Ausgaben um 0,9 Prozent zum Vorquartal.
Analysten führen dies auf erste Wirkungen des Vermögenseffekts zurück: Kurs- und Währungsgewinne bei ausländischen und japanischen Aktien und Anleihen wurden mitgenommen und teilweise in Marken- und Luxusartikel investiert. Ferner erhalten die Mitarbeiter vieler Exportfirmen in diesem Jahr höhere Boni. Diese scheinen ebenfalls in den Konsum zu fließen. Dies erklärt auch, warum das Verbrauchervertrauen auf das Niveau vor der Finanzkrise gestiegen ist.
Drei "Pfeile" der Abenomics
Die Strategie zielt mit "drei Pfeilen" auf das Ende der Deflation und die Wiederbelebung der Wirtschaft: einer stimulierenden Fiskalpolitik, einer expansiven Geldpolitik sowie Strukturreformen. Konkret hat die Regierung ein Konjunkturpaket von 10,3 Billionen Yen (78 Milliarden Euro) geschnürt. "Das ist groß genug, um die Wirtschaftsleistung um 2 Prozent zu vergrößern und 600 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen", begründete Abe sein Vorgehen, obwohl Japan Ende 2012 bereits mit 230 Prozent der Wirtschaftsleistung so hoch verschuldet war wie kein anderes Land.
Anfang April verkündete die Bank of Japan ihre neuartige Geldpolitik einer "qualitativen und quantitativen" Lockerung. Dabei wird die Notenbank unter ihrem neuen Gouverneur Haruhiko Kuroda die Geldbasis in zwei Jahren verdoppeln. Auf diese Weise will er bis 2015 eine Inflationsrate von 2 Prozent erzeugen. Durch den Aufkauf von Staatsanleihen und anderen Vermögenswerten pumpt die Notenbank insgesamt 1,1 Billionen Euro in die Wirtschaft. Dadurch sinken die langfristigen Zinsen, was Kredite für Firmen und Privatleute verbilligt.
Mehr als ein Strohfeuer
Auf den ersten Blick läuft diese Strategie auf ein Strohfeuer hinaus, da die Abwertung des Yen und die Erhöhung des Staatsausgaben ihre Grenzen haben. Doch die Kritiker der Abenomics sollten nicht den starken Willen in Japan unterschätzen, sich diesmal am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Erstmals seit dem Platzen der Immobilienblase vor 23 Jahren scheint sich die Machtelite in Japan wieder auf einen Konsens geeinigt zu haben: Die Stärkung ihrer Nation vis-a-vis Chinas Hegemoniestreben soll dadurch gelingen, dass die Wirtschaft wieder fit gemacht wird.
Japan muss stark bleiben, zuerst stark in der Wirtschaft, und auch stark in der Verteidigung", bekräftigte der konservative Regierungschef bei seinem Besuch in Washington. Dafür soll erstens die Deflation und zweitens die starke Währung weichen. Drittens muss die Wirtschaft in diesem Fiskaljahr um 2,5 Prozent wachsen. Das ist die gesetzliche Bedingung dafür, dass im April 2014 die Mehrwertsteuer steigen kann. Nur mit höheren Steuereinnahmen kann der japanische Staat seine Neuverschuldung bremsen und diese Achillesferse seiner Wirtschaft schützen.
Skeptische Unternehmen
Japans neue Wirtschaftspolitik des "Jetzt oder nie" ist nicht ungefährlich. Im schlimmsten Fall drohen Kapitalflucht und Schuldenkollaps. Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Vorher muss Abe erst einmal die Unternehmen überzeugen, dass Yen-Schwäche und Aufschwung nachhaltig sind. Zur Zeit fahren die Firmen nämlich ihre Investitionen herunter. Zudem wagen sie es nicht, die Grundlöhne zu erhöhen. Am ehesten wird Abenomics daher an der Mutlosigkeit der Manager scheitern.
Deswegen ist der Premier dabei, seinen dritten Pfeil abzuschießen und die Rahmenbedingungen für die Firmen zu verbessern. Freihandel mit der Europäischen Union und den Pazifik-Anrainerstaaten war der erste Schritt. Zweitens kündigte Abe eine bessere Kinderbetreuung an, damit die Zahl der berufstätigen Frauen zunimmt. Drittens werden technologische Innovationen massiv gefördert. Im Juni will der 57-Jährige schließlich ein ganzes Paket von Strukturreformen vorlegen.