1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stasi: Die Stunde der Bürgerrechtler

Marcel Fürstenau14. Januar 2015

Es war ein historischer Triumph der Zivilcourage, als vor 25 Jahren die Zentrale der DDR-Geheimpolizei friedlich gestürmt wurde. Pünktlich zum Gedenktag gibt es eine neue Mediathek.

https://p.dw.com/p/1EK3R
Wütende Bürger erstürmen am 15. Januar 1990 die Berliner Stasi-Zenrale. Das Glas einer Eingangstür ist zersplittert.
Bild: picture alliance/AP Images

[No title]

Roland Jahn bekommt heute noch leuchtende Augen, wenn er an den 15. Januar 1990 denkt. Damals stürmten mutige DDR-Bürger die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) in Berlin. Und der heutige Bundesbeauftragte der Stasi-Unterlagen-Behörde war mittendrin, obwohl er schon lange kein DDR-Bürger mehr gewesen war. Denn der aus Jena stammende Jahn wurde bereits 1983 gegen seinen Willen ausgebürgert, nachdem er zuvor wegen "Herabwürdigung des Staates" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Der zu diesem Zeitpunkt knapp 30-Jährige hatte unter anderem offen Sympathie für die polnische Gewerkschaft "Solidarność" gezeigt.

Ein "bewegender" Tag sei das gewesen, sagt der Bürgerrechtler 25 Jahre später. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm das "Befreiende, was ich in den Gesichtern der Menschen gesehen habe, die damals hier auf das Gelände geströmt sind". Wer das Eingangstor zur Geheimpolizei der ostdeutschen Diktatur letztlich geöffnet hat, darüber würden die Historiker nach wie vor streiten, sagt Jahn im Gespräch mit der Deutschen Welle. Aber entscheidend sei doch etwas anderes: Der Sturm auf die Stasi-Zentrale sei die Grundlage dafür gewesen, "dass wir die Akten heute nutzen können".

Westdeutsche Politiker waren gegen die Akten-Öffnung

Mit ihrer mutigen, alles andere als ungefährlichen Besetzung des weitläufigen Geländes verhinderten die Bürgerrechtler, dass die in Jahrzehnten gesammelten Spitzel-Berichte vernichtet wurden. Als das aufgebrachte Volk Einlass begehrte, waren Stasi-Mitarbeiter längst dabei, belastendes Material zu schreddern. Einiges ging also verloren, aber der Großteil wurde gerettet. Im Zuge der sich anbahnenden deutschen Wiedervereinigung waren es westdeutsche Politiker, die den Nachlass des DDR-Geheimdienstes am liebsten auf Dauer unter Verschluss gehalten hätten. Jahn hatte dafür sogar ein gewisses Verständnis. Schließlich handelt es sich um "menschenrechtswidrig gesammelte Informationen", die man nicht einfach offenlegen könne.

Interview mit Roland Jahn

Mit Hilfe des Stasi-Unterlagen-Gesetzes von 1991 ist es dann aber gelungen, eine gute Balance zwischen Aktenöffnung und Persönlichkeitsrechten zu finden. Opferschutz hat dabei absoluten Vorrang. Stasi-Spitzel hingegen mussten und müssen mit Enttarnung rechnen. Wobei die Zeit der spektakulären Enthüllungen längst vorbei ist. Ein Vierteljahrhundert nach dem historischen Ereignis zieht Behörden-Chef Jahn eine positive Bilanz. Wären die Akten nicht geöffnet worden, "hätte das Gift der Stasi weitergewirkt". Eine Geheimpolizei sei nur dann aufgelöst, "wenn man ihr Handeln öffentlich macht".

Bundespräsident Gauck war der erste Stasi-Aufklärer

Roland Jahn ist der dritte vom Parlament gewählte Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. Seine Vorgänger stammen ebenfalls aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung: die Grünen-Politikerin Marianne Birthler und der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck. Ganz im Geiste ihrer Amtsführung kündigte Jahn nach seiner Wahl 2011 an, aus der ehemaligen Stasi-Zentrale einen "Campus der Demokratie" machen zu wollen. "Je besser wir Diktatur begreifen, desto besser können wir Demokratie gestalten", lautet sein Grundsatz. Und der lässt sich bestens auf die am Donnerstag eröffnete neue Dauerausstellung übertragen.

Schreibtisch von Stasi-Chef Erich Mielke mit multimedialem Info-Bildschirm.
Hier herrschte Erich Mielke: das Arbeitszimmer des langjährigen Stasi-Chefs ist Teil der AusstellungBild: BStU/Popa

Original und multimedial kommt sie daher, untergebracht in "Haus 1". Dort kann man schon seit einigen Jahren das Arbeitszimmer des von 1957 bis 1989 amtierenden Stasi-Chefs Erich Mielke betreten. Seine Vita, seine Schreckensherrschaft ist in Wort, Bild und Ton nachvollziehbar. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte anlässlich der Neueröffnung, die Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße "entlarvt wie nur wenige andere Orte die DDR als Unrechtsstaat". Der Sturm auf die MfS-Zentrale vor 25 Jahren sei ein bleibendes Vorbild für die Zivilcourage vieler Bürgerinnen und Bürger in der DDR, "die den Machthabern der SED im Streben nach Freiheit und Demokratie die Stirn boten".

Neues Angebot: die multimediale Stasi-Mediathek

Ergänzend zur Ausstellung im Stasi-Museum gibt es seit wenigen Tagen die Stasi-Mediathek. Wer sich online über die perfide Arbeitsweise der Geheimpolizei informieren will, findet dort zahlreiche Beispiele. Die Niederschlagung des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 ist ebenso dabei wie die systematische Bekämpfung der sogenannten Republikflucht. Es gibt aber auch Dokumente zum Auftritt des westdeutschen Rockmusikers Udo Lindenberg, der 1983 im inzwischen abgerissenen "Palast der Republik" auftreten durfte.