Steuert Ruanda Rebellen im Kongo?
18. Oktober 2012Es ist ein vielschichtiger Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Doch ein Muster ist durchgängig: Immer wieder stehen sich der Kongo und seine östlichen Nachbarn Ruanda und Uganda anscheinend unversöhnlich gegenüber. Am Dienstag (16.10.2012) gab es neue Nahrung für diesen Streit. Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte Ausschnitte eines UN-Expertenberichts, der Ruanda und Uganda vorwirft, eine Rebellengruppe im Ostkongo mit Waffen und Truppen zu unterstützen.
Die Rebellion begann vor einem halben Jahr, als sich eine Reihe von Offizieren aus der - ohnehin schwachen - kongolesischen Armee absetzte. Seitdem konnten die Rebellen Teile der Provinz Nordkivu im Bezirk Rutshuru einnehmen. Erklärtes Ziel der Bewegung, die sich M23 nennt, ist der Schutz der Tutsi-Bevölkerung in dieser Gegend und der Kampf gegen die Hutu-Miliz FDLR, Ruandas Erzfeind auf kongolesischem Boden. In den Reihen der FDLR kämpfen auch Soldaten, denen vorgeworfen wird, am Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 beteiligt gewesen zu sein.
Lukrativer Rohstoffhandel
So ist der Verdacht, dass Ruanda die Rebellion der M23 unterstützt, nicht neu. Schon im Juni lieferte die UN-Expertengruppe zum Kongo stichhaltige Beweise für Ruandas Verwicklung. Die Folge waren internationale Sanktionen gegen das Land, das bis heute jede Schuld vehement von sich weist. Dabei liegt es auf der Hand, dass Ruanda auch Profit aus Kongos Schwäche zieht. "Die Instabilität im Ostkongo ist für Uganda und Ruanda von direktem Nutzen", sagt Marc-André Lagrange von der International Crisis Group, die sich weltweit für die Lösung tödlicher Konflikte einsetzt. Besonders lohnenswert ist für die ostafrikanischen Nachbarn das Geschäft mit Kongos Rohstoffen. Gold und Diamanten werden dort abgebaut, ebenso das Erz Coltan, das in der Produktion von Handys und Computern gebraucht wird. Schon in kleinen Mengen sind diese Bodenschätze sehr wertvoll, was sie für Schmuggler interessant macht. Lagrange verweist auf die internationalen Bemühungen, den Rohstoffhandel zu regulieren. "An dem Tag, an dem es keinen Konflikt in Nordkivu mehr gibt, wird der Kongo in großem Stil exportieren können", vermutet er. Ruanda und Uganda blieben dann außen vor.
Die UN-Experten argumentieren, dass ruandische Händler die Miliz finanzieren - mit Profiten aus dem Schmuggel von Rohstoffen. Ihre Befehle erhielten die Rebellen hingegen direkt aus Kigali, vom ruandischen Verteidigungsminister James Kabarebe. Der Minister äußerte sich bisher nicht zu dem Bericht. Bisherige Vorwürfe hatte er aber bereits im August zurückgewiesen, indem er die Expertengruppe als unerfahren bezeichnete und ihr vorwarf, unter dem Einfluss der kongolesischen Regierung zu stehen. Lagrange von der Crisis Group wundert das nicht. Ruanda könne nicht offen zugeben, dass es eine Miliz in einem fremden Land unterstütze: "Das ist schlicht nicht möglich." Beobachter Ahmed Rajab vom Londoner Panafricanistic Institute for Strategic Studies rät jedoch zur Vorsicht. "Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, aber es gibt noch keine Beweise", meint Rajab, der bedauert, dass Reuters nun Ausschnitte des Berichts veröffentlicht hat. "Wenn diese Anschuldigungen nun laufend aufgegriffen und diskutiert werden, werden Menschen sie für wahr halten.
Auch Uganda beteiligt
Der Bericht spricht aber auch von einer Unterstützung durch Uganda. Beide Staaten hätten die M23-Rebellen fortlaufend mit Waffen ausgerüstet, sagen die Experten. An einem Angriff auf UN-Blauhelmsoldaten im Kongo, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen, seien zudem ruandische und ugandische Truppen beteiligt gewesen. Uganda äußerte sich empört über diese neuen Vorwürfe. Der Staatsminister für Internationale Angelegenheiten, Henry Oryem Okello, bezeichnete den Bericht als Blödsinn und bezichtigte die UN, die Friedensbemühungen seines Landes zu sabotieren. Unter Vorsitz des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni hatten Nachbarländer in den letzten Monaten vergeblich versucht, eine Antwort auf die Rebellion im Ostkongo zu finden.
Jason Stearns forscht im Rahmen des Usalama Projekts am Rift Valley Institute zu bewaffneten Gruppen im Ostkongo. Seiner Meinung nach sind die politischen Bemühungen Ugandas wenig glaubwürdig. Stearns geht vielmehr davon aus, dass Uganda seinem kleinen Nachbarstaat Ruanda nicht zu viel Macht zubilligen möchte. "Auch, wenn sie heute Verbündete sind, hat es immer wieder Rivalitäten zwischen den beiden Ländern gegeben", meint Stearns. "Einer der Gründe für Ugandas Einmischung im Kongo ist, dass Ruanda dort eine immer größere Rolle spielt, also möchte Uganda das Land im Auge behalten."
Dennoch besteht für Stearns kein Zweifel daran, dass auch die Regierung in Kinsahasa für die Sicherheit im Osten des Kongo verantwortlich sein sollte. "Diese extreme Korruption und Vetternwirtschaft, die den Staat und die Armee durchzieht, bringt oft auch Militärs und Staatsbeamte dazu, mit ihren eigenen Feinden zusammenzuarbeiten." Auch dies werde durch den Bericht bestätigt. Dass nun erneut die Aufmerksamkeit auf Kongos Nachbarländer gelenkt wird, bedeutet also keine Entlastung für die kongolesische Regierung. Doch die Erkenntnisse über die Verwicklung Ugandas und Ruandas geben dem Konflikt eine neue Dimension.