Sticheln gegen Kanzleramt und BND
3. Juni 2015Im Streit über die Vorlage der US-Spionagelisten macht nun auch die G-10-Kommission zur Kontrolle der Geheimdienste Druck auf die Bundesregierung. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios stoppte das Gremium in seiner Sitzung am Mittwoch zwei vom Bundesnachrichtendienst (BND) beantragte Überwachungsmaßnahmen. Damit habe die Kommission ihre vor zwei Wochen ausgesprochene Drohung wahr gemacht, dass sie BND-Anträge solange restriktiv behandeln werde, solange das Bundeskanzleramt dem Gremium nicht die umstrittenen sogenannten Selektoren-Listen zur Einsicht überlässt.
Das geheim tagende Gremium prüft und genehmigt Überwachungsaktionen der deutschen Nachrichtendienste. Die Runde hat nach Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) bereits die Bewilligungen für mehrere Abhöraktionen des BND befristet. Die G-10-Kommission ist ein kleines Gremium mit nur vier Mitgliedern plus vier Stellvertretern. Es sind zum Teil Parlamentarier, zum Teil Ex-Abgeordnete und Juristen, die Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste bewilligen müssen - sofern Deutsche betroffen sind. Sie sind besonders vor Ausspähung geschützt. Geregelt ist dies im Artikel 10 des Grundgesetzes - daher der Begriff G-10-Kommission.
Bundesregierung wartet weiter auf ein Ja aus Washington
Hintergrund für die harte Gangart des Gremiums ist die Forderung, die Liste mit unzulässigen Spähzielen des US-Geheimdienstes NSA einzusehen. Der BND soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern.
Neben der G-10-Kommission fordern auch der NSA-Untersuchungsausschuss und das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages seit Wochen Einsicht in die US-Selektorenlisten - bislang erfolglos. Die Bundesregierung hält die Unterlagen unter Verschluss und wartet auf eine Erlaubnis der Amerikaner, die Listen den Parlamentsgremien zugänglich zu machen.
sti/SC (afp, dpa)