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Gemeinsame Verteidigung

Christoph Hasselbach4. Oktober 2012

Der syrische Angriff auf das NATO-Land Türkei beschäftigt das gesamte Militärbündnis, auch wenn es zur kollektiven Verteidigung so bald nicht kommen dürfte. Was sagt die NATO-Charta zu den Bündnisverpflichtungen?

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Die Flaggen der Nato-Mitglieder (Foto: dapd)
Bild: AP

Die NATO versteht sich als Verteidigungsbündnis: Der Angriff auf EIN Mitglied wird als Angriff auf ALLE verstanden. Die Partner sind dann zur kollektiven Verteidigung verpflichtet. Diesen sogenannten Bündnisfall regelt Artikel V der NATO-Charta: "Die Parteien vereinbaren, dass im Falle eines Angriffs jede von ihnen der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet." Deutlich unterhalb dieser Schwelle können die Bündnispartner nach Artikel IV der Charta die Lage beraten: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist."

Bisher nur ein einziger Bündnisfall

Die Türkei hatte am Mittwoch (03.10.2012) die Partner nach Artikel IV zusammengerufen, weil sie sich in ihrer Sicherheit bedroht sieht. Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der NATO, dass Konsultationen aufgrund von Artikel IV stattfinden. In allen drei Fällen ging es um die Türkei: im Juni dieses Jahres, als die syrische Luftwaffe ein türkisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte, und 2003 während des Irak-Kriegs. Dagegen trat der eigentliche Bündnisfall nur ein einziges Mal ein, nämlich nach den Terrorangriffen auf die USA am 11. September 2001. Der NATO-Einsatz in Afghanistan ist so gesehen eine Folge der Ausrufung dieses Bündnisfalls nach Artikel V.

Ramussen gestikuliert am Rednerpult (Foto: reuters)
NATO-Generalsekretär Rasmussen: "Der Artikel V hat keine Rolle gespielt"Bild: Reuters

NATO bleibt zurückhaltend

Dass es auch diesmal dazu kommt, ist sehr unwahrscheinlich, jedenfalls noch. Nach den Beratungen verurteilte zwar NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen das, "was geschehen ist, als völlig unakzeptablen Akt". Und in einer schriftlichen Erklärung ist von einem "flagranten Völkerrechtsbruch" und einer "eindeutigen Gefahr für die Sicherheit eines unserer Bündnispartner" die Rede. Doch die NATO hat keine militärische Gewalt angedroht, und die Türkei hat auch nicht um militärische Hilfe gebeten. Rasmussen zufolge hat der Artikel V bei den Beratungen keine Rolle gespielt. In der abschließenden Erklärung heißt es lediglich: "Im Geiste der Unteilbarkeit von Freiheit und Solidarität steht das Bündnis weiterhin der Türkei bei und fordert ein sofortiges Ende solcher aggressiver Handlungen gegenüber einem Bündnispartner". Offenbar sind die NATO-Partner bemüht, die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen, und dies schon aus eigenem Interesse: Niemand in den NATO-Ländern würde leichtfertig eigene Soldaten in einen neuen Krieg schicken. Der lange und verlustreiche Afghanistan-Einsatz, die Folge des bisher einzigen NATO-Bündnisfalls, hat die Regierungen besonders vorsichtig gemacht.

Die Rolle des Sicherheitsrats

Doch auch der Artikel V enthält schon deeskalierende Elemente und weist den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle zu. Zum Beispiel soll die NATO, falls sie wirklich den Bündnisfall ausruft, den UN-Sicherheitsrat über alle getroffenen militärischen Gegenmaßnahmen informieren. Und: "Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten." Das setzt natürlich eine aktive Rolle des Sicherheitsrats in einem Konflikt voraus. Gerade der Syrien-Konflikt zeigt aber, wie oft der Rat durch unterschiedliche Positionen blockiert ist und deshalb nicht handeln kann oder will.

Das brennende World Trade Center in New York (Foto: dapd)
Auf 9/11 folgte der BündnisfallBild: AP/dapd/Chao Soi Cheong