Stichwort: Zollformeln
13. Dezember 2005Wenn sich die Minister bei einer Welthandelsrunde treffen, dann verhandeln sie in erster Linie darum, um wie viel Prozent die Zölle gesenkt werden sollen. Doch selbst, wenn sie sich auf einen Prozentsatz geeinigt haben, ist noch längst nicht alles klar. Denn dann muss immer noch entschieden werden, nach welcher Zollformel die Kürzungen auf die einzelnen Zölle umgerechnet werden. Und diese Zollformeln bergen viel Sprengstoff. Denn der Teufel steckt im Detail.
Einheitliche Senkung
Die erste und einfachste Option ist, alle Zölle um einen einheitlichen Prozentsatz - zum Beispiel um 25 Prozent, also ein Viertel - zu senken. Das würde bedeuten, dass beispielsweise die EU ihren Importzoll für Orangenmarmelade aus Brasilien von derzeit etwa 22 Prozent auf etwa 16 Prozent senken müsste.
Uruguay-Formel
Bei Handelsverhandlungen einigt man sich meist aber nicht auf diese auf den ersten Blick sehr einfache Formel. Das liegt daran, dass sie den Ländern nur sehr wenig Spielraum lässt. Manche Länder möchten Zölle auf bestimmte Produkte weniger stark senken als auf andere, um sie weiter vor der ungeliebten ausländischen Konkurrenz zu schützen. Im EU-Handelsjargon werden diese Produkte beschönigend "sensible Güter" genannt.
Daher hat man sich bei der vergangenen großen Handelsrunde, der so genannten Uruguay-Runde von 1986 bis 1994, auf eine andere Formel geeinigt. Dieses komplizierte Regelwerk erhielt auch den Namen "Uruguay-Formel". Sie legt zweierlei fest: Zum einen muss jeder Zollsatz mindestens um einen bestimmten Prozentsatz gesenkt werden - in der Uruguay-Runde waren es damals bei der Landwirtschaft 15 Prozent. Außerdem müssen alle Zölle im Durchschnitt gerechnet um einen weiteren Prozentsatz sinken.
Diese Formel lässt den Ländern Spielraum, sehr hohe Zölle weiter relativ hoch zu lassen. Stattdessen können sie ihre bereits niedrigen Zölle weiter reduzieren, um den vorgeschriebenen Durchschnittswert zu erreichen. Das nutzte beispielsweise die EU, um ihre Landwirtschaft weiter zu schützen. So lehnen in der derzeitigen Doha-Handelsrunde viele Agrarexporteure die Uruguay-Formel ab - zu den Gegnern gehört kurioserweise auch Uruguay selbst.
Schweizer Formel
Die Agrarexporteure ziehen die so genannte Schweizer Formel vor. Die Schweiz hat diese Formel zum ersten Mal in der Tokio-Runde von 1973-79 vorgeschlagen. Sie sieht vor, gerade die hohen Zollsätze besonders stark zu senken und dafür die niedrigen Zollsätze nicht so stark zurückzufahren. Außerdem legt sie im Gegensatz zu den anderen beiden Formeln einen maximalen Zollsatz fest, der nicht überschritten werden darf.
Im Endergebnis führt die Schweizer Formel im Vergleich zur Uruguay-Formel zu einem viel einheitlicheren Zollniveau. Damit haben die Länder nur noch einen geringen Spielraum, bestimmte Sektoren, wie beispielsweise die Landwirtschaft zu schützen. Da verwundert es nicht, dass die Schweizer Regierung inzwischen die eigene Formel ablehnt. Schließlich gehören die eidgenössischen Landwirte zu den am besten geschützten der Welt.