"Stillstand, jetzt auf Italienisch"
5. März 2018Es ist die Furcht vor einer langen Hängepartie in Italien, nachdem nun die Zahlen vom Wahlgang vorliegen, die das Bild mitbestimmen. Der deutsche Aktienindex DAX startete mit einem Minus von 0,7 Prozent in die Woche, in Mailand verlor die Börse gleich zum Start zwei Prozent, fing sich aber bald wieder etwas, der Euro reagierte kaum. Gegen Mittag verharrte nur noch die Mailänder Börse im Minus, leichte Gewinne zeigten hingegen Frankfurt, Paris und London.
Bei den Parlamentswahlen in Italien hatte es am Sonntag viele Gewinner gegeben, aber keinen Sieger. Die populistische Bewegung "5 Sterne" steht nun zwar als größte Einzelpartei da, ist aber mit knapp 32 Prozent nicht in der Lage, alleine eine Regierung zu bilden. Der rechte Zusammenschluss um „Forza Italia" des ehemaligen Regierungschefs Berlusconi und die ausländerfeindliche Lega wurde stärkstes Parteienbündnis mit rund 37 – ebenfalls aber zu wenig, um allein zu regieren.
Gentiloni macht noch weiter
Die bisherige Regierungspartei DP von Parteichef Matteo Renzi mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni erlebte einen empfindlichen Einbruch und kam, mit kleineren Verbündeten, auf weniger als 20 Prozent. Dennoch dürfte Gentiloni aber noch eine Weile weiter regieren, weil kaum eine tragfähige Koalition für eine neue Regierung in Sicht ist.
Das ist es auch, was Beobachter und Anleger umtreibt. Euroskeptiker und rechte Parteien in Italien könnten sich gegenseitig blockieren. Dringend benötigte Reformen sind so auf längere Sicht kaum zu erwarten, auch ein erneuter Wahlgang ist nicht auszuschließen. Viele Volkswirte äußerten sich denn auch besorgt:
"Ein Parlament ohne Mehrheit wurde allgemein erwartet", analysiert Nicola Nobile von Oxord Economics. "Aber was der Markt nicht vorhergesehen hat, ist ein Schub der populistischen Bewegungen und das schwache Abschneiden der gemäßigten Parteien. Es ist unklar, wie genau die '5 Sterne' oder die Lega stehen zu den Fragen, die sich auf Europa oder die Bankenunion beziehen."
"Ein Parlament ohne Mehrheit"
"Stillstand, jetzt auf Italienisch", so kommentiert der Volkswirt Carsten Brzeski von der ING-Bank die Ergebnisse. "Die italienischen Wahlen sind die nächste Folge in einer langen Serie, in der die politische Landschaft in ganz Europa immer komplizierter wird. In Italien ist man da einen großen Schritt weiter als Deutschland. Eine Folge der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre. Der aktuelle konjunkturelle Aufschwung ist noch zu schwach und zu kurz, um bei der Bevölkerung anzukommen. "
Auf die europäischen Partner schaut auch Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank: "Italien dürfte - egal unter welcher Regierung - in den nächsten Jahren vor allem egozentrisch auf Zugeständnisse beim Schuldenmachen pochen. Ein verlässlicher Partner in einem konstruktiven europäischen Reformprozess sieht anders aus."
Eine Schlüsselrolle dürfte nach diesem Wahlausgang der Bewegung "5 Sterne" zukommen. Allerdings merkt Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Berenberg Bank an: "Wenn die '5 Sterne' nicht positiv überraschen, dann sind die Aussichten für weitere wachstumsfördernde Reformen in Italien vorerst gering. Stattdessen könnte Italien auf eine teilweise Reformumkehr und einen Anstieg der öffentlichen Ausgaben zusteuern, was zu Konflikten mit den Partnern in der EU führen könnte."
"Handelskrieg im Fokus"
Andere Sorgen hatten zuvor die Börsen in Asien bestimmt: Der japanische Leitindex Nikkei war auf ein Fünf-Monatstief gerutscht, nachdem der Yen stark zugelegt hatte. Hier steht die Furcht vor einem internationalen Handelskrieg im Vordergrund. Vor allem Stahlkonzerne waren betroffen und verloren in Tokio zwischen 1,5 und 2,5 Prozent.
"Wo jetzt der Ausgang der Wahlen in Europa ausschaut wie erwartet, rückt der mögliche Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt wieder in den Fokus", fasste Daisuke Karakama, Volkswirt bei der Mizuho Bank, die Stimmung an den Börsen zusammen.
ar/hb (dpa, rtr, ap)