Straße von Hormus: eine deutsche Mission?
31. August 2019Die Straße von Hormus, eine der bedeutendsten Schifffahrtsstraßen der Welt, ist weiterhin stark frequentiert. Tag für Tag dient sie als wichtigster Verbindungsweg zwischen den Erdölproduzenten im Osten der arabischen Halbinsel und ihren Abnehmern weltweit. Und doch hat der Transfer über die Wasserstraße seine Selbstverständlichkeit verloren, seitdem dort einige Sabotageakte gegen mehrere Tanker durchgeführt wurden. Für sie machen vor allem die USA und Saudi-Arabien den Iran verantwortlich.
In einem gemeinsam verfassten Papier für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) übernehmen die Politologen Carlo Masala, Christian Mölling und Torben Schütz diese Sichtweise. "In der Straße von Hormus gefährdet der Iran die Freiheit der Seefahrt" schreiben die Autoren. Deutschland wie auch die anderen EU-Staaten hätten ein erhebliches Interesse an der Durchsetzung des Prinzips der freien Seefahrt.
Diskussionen in Helsinki
Der deutsche, der französische und der britische Außenminister hatten am vergangenen Donnerstag in Helsinki über den Vorschlag für eine europäische Beobachtermission in der Straße von Hormus gesprochen. "Es gibt dazu unterschiedliche Auffassungen", sagte Maas, zeigte sich grundsätzlich aber offen: "Alles, was zur Deeskalation beitragen kann, ist jetzt hilfreich." Der britische Außenminister Dominic Raab erklärte, die Europäer müssten "den Gefahren für die internationale Schifffahrt in der Straße von Hormus begegnen." Großbritannien beteiligt sich inzwischen an einer US-geführten Mission, die Handelsschiffen militärischen Begleitschutz gibt. Deutschland und andere EU-Mitglieder lehnen die Teilnahme ab, weil ein solcher Einsatz aus ihrer Sicht die Spannungen in der Region weiter erhöhen könnte.
Ähnlich äußerte sich auch Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die am Donnerstag ebenfalls zu Gesprächen mit EU-Kollegen in Helsinki war. "Wir wollen auf der einen Seite die Freiheit der Seewege gewähren, aber auf der anderen Seite haben wir ein besonderes diplomatisches Interesse mit Blick auf den Atomvertrag, den es mit dem Iran gibt", sagte die CDU-Chefin der ARD. Bei allen möglichen Missionen müsse man aufpassen, dass nicht der Eindruck entstehe, dass es sich um Missionen mit einem anti-iranischen Charakter handle.
Vorschlag 1: eine Beobachtermission
Für eine Mission selbst seien mehrere Varianten denkbar, so die Autoren des DGAP-Papiers. Sie diskutieren die Möglichkeiten einer Schutz- wie auch einer Beobachtermission. Welche Mission auch immer in Frage käme, so das Papier, die Bundesrepublik sei gefordert. "Deutschland sollte zum Erhalt seines außenpolitischen Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie gegebenenfalls führen. Die europäischen Partner scheinen ein allgemeines Interesse zu haben, an einer solchen Mission mitzuwirken, wenn ein europäisches Land die Initiative ergreifen würde."
Grundsätzlich wären die europäischen Staaten militärisch in der Lage, einen solchen Einsatz zu führen. Allerdings würde er zwischen 10 und 30 Prozent der maritimen Kapazitäten erfordern, so die Autoren. Zwar ließ sich die Straße von Hormus aufgrund ihrer Geografie und ihrer Territorialgewässer nicht umfassend und dauerhaft überwachen. Aber ein grundsätzlicher Schritt wäre getan.
Bereits eine Beobachtermission könnte zur Sicherung der Schifffahrt beitragen, heißt es in dem Papier: "Eine Beobachtermission hat zum Ziel, deeskalierend zu wirken, indem sie das örtliche Geschehen beobachtet, Rechtsverletzungen dokumentiert und das Verhalten der Parteien der UN und der Weltöffentlichkeit zur Kenntnis bringt."
Vorschlag 2: eine Schutzmission
Robuster wäre der Einsatz einer Schutzmission. Diese könnte sich auf den Schutz der Schiffe der Teilnehmerstaaten beschränken oder die Freiheit der Seefahrt für alle anstreben. Das anspruchsvollste Ziel wäre, das Seerecht grundsätzlich durchzusetzen. Allerdings wäre eine solche Mission riskant. Liefe es schlecht, könnte ein solcher Einsatz eine Eskalation nach sich ziehen, räumt Mölling im DW-Gespräch ein. Diese Gefahr sei grundsätzlich gegeben. "Allerdings können wir umgekehrt auch nicht darauf vertrauen, dass die derzeit angespannte Lage sich von selbst entspannt. Es gibt keinen Grund, das anzunehmen."
Eine Schutzmission müsse eine Eskalation darum in Kauf nehmen. "Das klingt für deutsche Ohren unerträglich", so Mölling. Politisch ausgeschlossen sei eine solche Option aber nicht. "Die Frage ist, ob jemand in der Bundesregierung die politische Führung für einen solchen Vorschlag übernimmt und ihn für sinnvoll erklärt." Dass dies grundsätzlich möglich sei, habe die jüngste Vergangenheit gezeigt. "Als Deutschland Waffen an die Kurden lieferte, um sie zu befähigen, sich selbst zu verteidigen, gab es auch keinen Aufschrei." So sei auch die Einrichtung einer Schutzmission eine Frage der Kalkulation oder des politischen Willens der Bundesregierung.
Die Möglichkeiten der Diplomatie
Das Auswärtige Amt hält einen maritimen Einsatz nur im Zusammenhang mit einer diplomatischen Mission für denkbar. Die Grundlagen dafür habe die EU bereits gelegt, so Mölling. "Der G-7-Gipfel in Biarritz hat gezeigt, dass die EU einen Aufschlag machen kann. Genau das hat der französische Präsident Macron getan." Er habe politisch eine Tür aufgetan. Sie zu durchqueren, sei allerdings Aufgabe des Irans und der USA. "Mehr als diese Tür zu öffnen, können die Europäer nur schwerlich leisten."
Eine europäische Flotte müsse nicht Teil einer US-Mission sein, wie die US-Regierung zuletzt gefordert hatte, schreiben die Autoren. Doch um eine Koordination mit den USA käme eine europäische Mission nicht herum, meinen die Autoren. Klar scheint allerdings, dass auch eine europäische Initiative letztlich eine robuste sein müsste. In jedem Fall gelte es eine "Srebrenica-Paralyse" zu vermeiden - also in eine Situation zu geraten, in der (wie 1995 im Bosnienkrieg) die Präsenz von UN-Truppen ein Massaker an Zivilisten nicht verhinderte.
Zu vermeiden sei in jedem Fall eine Beobachtermission, die nicht befugt sei, bei Gefahr für Leib und Leben unbeteiligter Seeleute einzugreifen. "Stattdessen muss das Mandat die Anwendung von angemessener Gewalt zum Schutze Anderer ermöglichen. Dies dient auch dem Schutz des Verbandes selbst." Ein zu restriktives Mandat könnte nach Ansicht der Autoren einen Anreiz setzen, die Europäer vorzuführen und sie als Abhängige der USA darzustellen, wenn sie diese im Falle einer Eskalation um Hilfe bäten.