Elfenbeinküste Wahrheitskommission
12. Mai 2011Dass Desmond Tutu Optimist ist, zeigt sich auch im Fall Elfenbeinküste: "Es gibt viele Probleme, aber auch den Willen, die Elfenbeinküste wieder zum Star Westafrikas zu machen", sagte der südafrikanische Friedensnobelpreisträger kürzlich. Denn die schweren Menschenrechtsverbrechen der letzten Monate aufzuarbeiten, erscheint vielen Menschen in dem westafrikanischen Land als nahezu unlösbare Aufgabe. Mehrere Tausend Menschenleben hat der Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten Laurent Gbagbo und Alassane Ouattara gefordert.
Der neue Präsident Ouattara hat schon die Richtung vorgegeben: Möglichst schnell soll eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ihre Arbeit aufnehmen. Als Kommissionschef hat er den ehemaligen Premierminister Charles Konan Banny ernannt. Der neue Chef ist keinem politischen Lager zuzuordnen.
Umstrittene Personalie
Trotzdem: Die Personalentscheidung sorgt bereits für erste Kritik. Dabei hat die Kommission noch nicht einmal ihre Arbeit aufgenommen. Die ivorische Aktivistin Salamata Porquet hält einen Politiker für die falsche Person an der Spitze einer solchen Einrichtung: "Wir brauchen neutrale Personen in der Kommission. Vor allem Organisationen der Zivilgesellschaft sind seltener in politische Machtkämpfe verstrickt. Zudem sind sie in den Gemeinden verwurzelt", so Porquet.
Viele Ivorer fürchten zudem, dass die Täter durch eine Wahrheits- und Versöhnungskommission zu leicht davonkommen könnten. Denn noch ist unklar, was mit Menschen passiert, die sich zu ihrer Schuld bekennen. Soll ihnen vergeben werden oder soll ein reguläres Gerichtsverfahren folgen? Der Chefermittler des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, hat bereits angekündigt, offizielle Ermittlungen aufnehmen zu wollen.
Angst vor Straflosigkeit
Auch Aktivistin Porquet fordert, dass die ivorische Wahrheitskommission nicht einfach Amnestie-Regelungen übernehmen sollte, wie es sie bei einigen früheren afrikanischen Kommissionen gegeben hat. "Man muss die Besonderheiten der Elfenbeinküste in Betracht ziehen und man muss darauf hören, was die Bevölkerung will", sagt Porquet. "Präsident Ouattara und Banny als Chef der Kommission können nicht einfach die Menschen vor vollendete Tatsachen stellen, wenn sie wirkliche Versöhnung wollen. Dafür sind die erlittenen Wunden zu groß."
Als wichtiges Vorbild für Afrika gilt bis heute die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission. Sie wurde Mitte der neunziger Jahre gebildet, um die Verbrechen der Apartheid-Ära aufzuarbeiten. Immer wieder wird die Idee einer solchen Kommission nach Kriegen oder Auseinandersetzungen in afrikanischen Staaten ins Spiel gebracht - nicht nur in der Elfenbeinküste. Auch nach dem Bürgerkrieg in Liberia wurde beispielsweise eine Kommission gegründet.
Vernachlässigung der Opfer?
Doch die Kommissionen haben nicht nur Freunde: Schon der südafrikanischen Kommission wurde vorgeworfen, die Opfer der Gewalttaten zu vernachlässigen. Denn wer aussagte, kam damit häufig automatisch in den Genuss einer Amnestie. Deshalb fordern zahlreiche Ivorer, die geplante Wahrheitskommission müsse ein Kompensationssystem für die Opfer einrichten.
Noch wichtiger ist dem deutschen Menschrechtsexperten Wolfgang Heinz jedoch die Qualität der Kommissions-Ermittlungen. "Wichtig ist es, dass die Kommission zeitnah mit der Arbeit beginnt", so Heinz. Zudem brauche die Kommission qualifizierte Mitarbeiter. "Denn man braucht gerade bei Menschenrechtsverletzungen gute Ermittler, man braucht Dokumentation, man braucht motivierte Leute, die bereit sind, auf die Aufgabe zuzugehen und es nicht nur als Verwaltungsjob sehen", sagt Heinz.
Mehr internationales Engagement
Deshalb fordert der Menschenrechtsexperte eine aktivere Rolle der internationalen Gemeinschaft bei den ivorischen Versöhnungsbemühungen. "In der Vergangenheit haben sich zum Beispiel die Vereinten Nationen weitgehend aus der Konzeption von Wahrheitskommissionen herausgehalten", erklärt Heinz. "Heute ist es dagegen Konsens, dass man nicht irgendwelche allgemeinen Amnestien akzeptiert, die dazu führen, dass Verantwortliche nicht zur Rechenschaft gezogen werden und auch keine Untersuchungen mehr stattfinden", so der Menschenrechtsexperte.
Letztlich wird der Erfolg der ivorischen Kommission davon abhängen, dass ihre Arbeit von der Bevölkerung anerkannt wird - darin sind sich Politiker, Aktivisten und Experten einig. Denn nur so kann die Elfenbeinküste wieder zum "Star Westafrikas" werden, wie es sich Desmond Tutu wünscht.
Autor: Jan-Philipp Scholz
Redaktion: Lina Hoffmann / Daniel Pelz / Friedel Taube