Strahlende Zukunft? - Atomstrom in Afrika
21. Juni 2010Für Zéphirin Diabré ist es eine Riesenchance: Zwischen Kairo und Kapstadt signalisieren immer mehr Regierungen Interesse am Atomstrom. Das freut Diabré, denn er ist beim französischen Atomkonzern AREVA für Afrika und den Nahen Osten verantwortlich. Doch bis Diabrés Geschäft läuft, muss noch eine Menge getan werden. "Zunächst müssen die Länder einen gesetzlichen Rahmen schaffen", sagt Diabré. "Und dann müssen menschliche Fähigkeiten geschaffen werden, die ein Nuklearprogramm umsetzen können."
Soweit ist bisher erst Südafrika. In der Nähe von Kapstadt steht ein Atomkraftwerk, das sechs Prozent der Energie Südafrikas liefert. In den nächsten Jahren sollen nach dem Willen der Regierung 30 Prozent des Stromes aus Atomkraftwerken kommen. Das streben auch andere Länder an: Im Senegal hat der Energieminister bis 2020 ein Atomkraftwerk angekündigt, Uganda hat bereits erste Gesetze verabschiedet und in Kenia diskutieren die Medien über einen Einstieg in die Atomenergie.
Taten oder Träume?
Für viele Staaten könnten eigene Atomkraftwerke jedoch ein Traum bleiben. "Das ist sehr, sehr teuer", meint Anne-Sophie Corbeau von der Internationalen Energieagentur IEA in Paris. Sie bezweifelt, dass die Regierungen die benötigten Mittel aufbringen können, da sowohl das Know-How als auch die Ingenieure aus dem Ausland eingekauft werden müssten. Den Atomkonzern AREVA würde es sicher freuen. Know-how und Technik gibt es in der Heimat des Konzerns genug. Frankreich gilt als der größte Atomstromnutzer Europas und bezieht drei Viertel der Energie aus Atomkraftwerken.
Auch Deutschland exportierte die Atomenergie nach Afrika, obwohl Atomstrom in der Bundesrepublik schon seit Jahrzehnten heftig umstritten ist. Der Atomgegner Horst Blume setzte sich jahrelang für die Schließung eines Kernkraftwerks in seiner Heimat Hamm ein. Als sein Ziel 1989 erreicht wurde, war er erstmal froh. Aber bald wurde die Technologie nach Südafrika gebracht.
Deutschlands marode Exporte
Für Blume ist das noch heute ein Skandal: "Es ist sehr verwunderlich, dass so eine marode Technik, die permanent nachgebessert werden musste und Störfälle aller Art aufweist, dass ausgerechnet diese Technik nach Südafrika exportiert wurde. Und man das noch als große Entwicklungshilfe dargestellt hat." Laut Blume hat die südafrikanische Regierung erfolglos mehr als eine Milliarde Euro in die Erforschung der alten deutschen Technologie gesteckt, ohne dass sie je genutzt werden konnte.
Dabei warnen Kritiker immer wieder vor den Gefahren von Atomenergie. Zum einen sind Atomkraftwerke unfallanfällig. 1986 kam es im ukrainischen Tschernobyl zu einer der größten Umweltkatastrophen der Welt. Nach einer Explosion in einem Reaktor gelang radioaktives Material in die Luft, an dem hunderttausende Menschen erkrankten und viele starben. Außerdem gibt es noch keine Lösung für die Lagerung von radioaktivem Müll, der bei der Produktion von Atomstrom entsteht.
Nukleare Gefahr
Laut einer Greenpeace-Studie vom April 2010 schadet die Atomenergie Afrika schon jetzt. So wird im Niger Uran abgebaut - radioaktives Material, das für die Erzeugung von Atomstrom nötig ist. Der Abbau hinterlässt nicht nur gefährlichen Industriemüll, sondern verursacht durch die nukleare Strahlung auch Krankheiten. "Wenn man sich den kompletten nuklearen Energiekreislauf ansieht, vom Bergabbau bis zur Müllentsorgung, kann das niemals sauber sein", beklagt sich der Umweltaktivist Nkopane Maphiri von Greenpeace in Südafrika. Er fordert die Welt auf, zunächst die Atommüllproblematik zu klären, bevor noch weitere Länder ans Netz gehen. Atomstrombefürworter argumentieren hingegen mit Umweltfreundlichkeit, weil die Produktion kein Treibhausgas ausstößt und deshalb den Klimawandel bremst.
Die Alternativen
Im Moment erzeugt Afrika noch den meisten Strom durch Wasserkraft. Dadurch kommt es jedoch immer wieder zu Stromausfällen, weil in Dürreperioden der Regen wegbleibt und Flüsse austrocknen. Umweltaktivisten wollen deshalb mehr auf andere regenerative Energien setzen, wie Sonne oder Wind. Letztendlich stoßen sie dabei auf das gleiche Problem wie die Atomkraftbefürworter: die Finanzierung.
Autor: Adrian Kriesch
Redaktion: Stephanie Gebert