Streit um saudische Schule in Deutschland
15. Oktober 2003Vor dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin konnte man in Bonner Apotheken und manchen Läden Schilder finden, die es sonst in Deutschland nirgendwo gab: Hinweise, dass hier auch "Arabisch gesprochen" werde. Und es war keine Seltenheit, auf der Straße oder im Kaufhaus tief verschleierten Araberinnen zu begegnen, die in Bonn und Umgebung zweifellos mehr im Straßenbild auffielen als ihre türkischen Glaubens-Gefährtinnen, die im Straßenbild der ehemaligen Hauptstadt kaum weiter auffielen. Vielleicht, weil die meisten von ihnen längst integriert, wenn nicht sogar assimiliert sind.
Vorbilder in Washington, London, Moskau
Für die Nicht-Assimilierten, vor allem die Kinder des umfangreichen arabischen Botschaftspersonals und verschiedener arabischer Verbände, die sich damals alle auf Bonn konzentrierten, entstand 1995 am Südrand von Bonn eine prunkvolle Moschee mit angegliederter Schule und Hochschule - die King-FahdAkademie: eine von mehreren solcher Akademien weltweit - in einer Reihe mit Washington, London und Moskau. Und: die einzige Akademie dieser Art in Deutschland.
Wenn es nach dem Kölner Regierungspräsidenten Jürgen Roters geht, dann wird diese Akademie allerdings bald ihre Tore schließen müssen. Dies schreibt zumindest das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Denn seit gut zwei Wochen ist an die Öffentlichkeit geraten, was bis dahin von Staatsschützern und von Schul- wie Regierungsbehörden nur intern beobachtet worden war: Die King-Fahd-Akademie ist zum Anziehungspunkt für radikale islamistische Kräfte geworden, die in letzter Zeit in die Gegend von Bonn ziehen, um ihre Kinder hier zur Schule zu schicken. Und diese Kinder erhalten dann in der King-Fahd-Akademie einen Unterricht, der durchaus geeignet sei, radikales Gedankengut zu pflegen und weiter zu verbreiten.
Viel Koran-, wenig Deutschunterricht
So berichtete das öffentlich-rechtliche Fernseh-Magazin "Panorama" (ARD), die knapp 500 Schüler der Akademie erhielten acht bis zwölf Stunden Koran-Unterricht, aber nur ein bis zwei Stunden Deutsch. Und ein deutscher Islamforscher kritisierte in derselben Sendung, dies sei nicht gerade integrationsfördernd.
Genau das sollte der Schulplan aber eigentlich auch nie sein. Denn es handelt sich um den saudischen Schulplan, der hier eingeführt wurde, um die vielen Botschaftskinder zu unterrichten - obwohl man auch dies mit einigem Recht bedenklich finden kann, denn die Schule diente damit der Verbreitung der strengen wahhabitischen Lehre Saudi-Arabiens. So, wie es die saudisch finanzierten Koran-Schulen in Pakistan tun, aus denen die "Taliban" hervorgegangen waren.
Umzug nach Berlin
Die King-Fahd-Akademie mit ihrem offenbar islamistischen Lehrplan wäre aber ein rein arabisches Problem gewesen und geblieben, wenn die Botschaften nicht im Tross der Bundesregierung auch nach Berlin umgezogen wären und sich in Berlin eine kleine Dépendence der Akademie etabliert hätte. In Bonn blieben kaum noch Diplomatenkinder zurück. Und genau dies könnte der Schule jetzt zum Verhängnis werden.
Die King-Fahd-Akademie ist als so genannte "Ergänzungsschule" angemeldet und vom Bundesland Nordrhein-Westfalen anerkannt. Solche Ergänzungsschulen aber dürfen nur Kinder unterrichten, die sich lediglich vorübergehend in Deutschland aufhalten. Also zum Beispiel Diplomatenkinder. Im Kölner Oberschulamt weiß man, dass diese Bedingung schon längst nicht mehr erfüllt wird: 41,9 Prozent der Schüler haben die deutsche Staatsangehörigkeit - und man könne davon ausgehen, dass ihr Aufenthalt in Deutschland keineswegs von vorübergehender Dauer sei. Bei weiteren Schülern wisse man das noch nicht so genau, aber der Verdacht liege nahe, dass sich hierunter weitere langfristig in Deutschland ansässige Kinder befinden. Selbst wenn sie keinen deutschen Pass hätten: Die Schulpflicht gilt in Deutschland für alle - In- wie Ausländer - und sie verpflichtet zum Besuch einer staatlichen oder staatlich anerkannten privaten Schule. Die "Ergänzungsschulen" waren bisher die Ausnahme - ein Entgegenkommen, das man vor allem Diplomaten gegenüber machte.
Schüler "entziehen"
Die im Raum Bonn führende Lokalzeitung "Bonner Generalanzeiger" forderte bereits in einem Leitartikel, die Akademie zu schließen. Wenn der auch für Bonn zuständige Kölner Regierungspräsident Roters dies wirklich planen will, dann wird er dies vermutlich aber nur indirekt tun können - indem er der King-Fahd-Akademie quasi die Schüler "entzieht": Wer immer der deutschern Schulpflicht unterliegt, könnte gezwungen werden, an deutsche Schulen zu gehen. Und die Betreiber der Akademie - das saudische Bildungsministerium - könnte es dann für Geldverschwendung halten, die wenigen dann noch verbliebenen Schüler weiter zu unterrichten.
Mit dem bereits erhobenen Vorwurf der Nähe zu terroristischen Organisationen wie "Al Qaida" wird man der König-Fahd-Akademie hingegen kaum beikommen können. Das TV-Magazin "Panorama" sendete zwar einen Auszug aus einer Predigt in der Moschee, wo der Prediger zum Training für den Dschihad aufrief. Dieser Prediger, der auch in der Schule unterrichtete, sei inzwischen aber entlassen worden, heißt es aus der Akademie. Hinzu kommt: Der Begriff "Dschihad" ist vieldeutig. Manchmal wird er als "Heiliger Krieg" übersetzt, manchmal bezeichnet er aber auch nur die "Anstrengung", nach den Geboten des Islam zu leben und zu handeln.
Schließung unwahrscheinlich
Auch die Anziehungskraft, die solch eine Akademie auf konservative bis radikale Muslime ausübt, wird kaum ein Schließungsgrund sein. Selbst dann nicht, wenn sich im Dunstkreis der Akademie oder unter den Eltern ihrer Schüler einschlägig verdächtigte Personen befinden. Erst wenn die Schule selbst oder ihre Angestellten gegen das Gesetz verstoßen sollten, wird man gegen sie eine Handhabe bekommen.
Ob man in dieser Richtung allzu forsch ermitteln wird, ist überdies fraglich, denn die Akademie ist eine Einrichtung des saudischen Königshauses. Und in Berlin dürfte kein Interesse daran bestehen, die ohnehin etwas abgekühlten Beziehungen Deutschlands zu Saudi-Arabien ohne zwingenden Grund zu verschlechtern. Ausreichenden Grund scheint es bisher jedenfalls nicht zu geben, denn auch im Auswärtigen Amt sieht man vorerst keinen Handlungsbedarf.